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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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Trompeter versteckt, damit sie, wenn sich die Türen öffneten, um den Duc d’Auxigny in seinem ganzen Staat zu zeigen, ihrer unglaubwürdigen Gottheit aus dem Verborgenen eine Fanfare spielen konnten. Marchenoir lachte spöttisch, dann kündigte er an, in fünf Minuten zurückzukommen.
    Gitan zuckte die Achseln. «Was mache ich?»
    «Ausziehen!» Marchenoir lächelte. «Ich hole deine Kleider. Das Mädchen muss hier warten. Wir wollen nicht, dass sie dir den Mantel ruiniert oder herauskommt und deinen Degen schwingt!» Er lachte über den Gedanken, dann lächelte er den Zigeuner an. «Wir haben es weit gebracht, Gitan.»
    Der Zigeuner erinnerte sich daran, wie Marchenoir um diese Zeit vor einem Jahr in die stinkende Gefängniszelle in Paris gekommen war und ihn auf den Pfad des Verräters gewiesen hatte. Er nickte. «Sehr weit.»
    «Und doch kommt das Beste noch.» Marchenoir lächelte. «En avant, en avant!»
    In der Krypta unter dem Raum, wo der Zigeuner seine Kleider ablegte, wiegte Dagon seine Donnerbüchse. Er atmete schwer. Im Geist summte er eine Melodie, denn er wusste, dass sein Herr in dieser Nacht kam. Er wiegte die große Waffe und grübelte, was mit dem goldhaarigen Mädchen geschehen würde. Natürlich musste sie sterben, denn die, die herkamen, starben immer, und ihre Leiche würde von den wilden Tieren in Stücke gerissen und von den Raben zerstreut werden. Er lachte bei sich. Er wartete auf Luzifer.

    Eine Kutsche mit verhängten Fenstern näherte sich aus der Ortschaft. Als sie auf die Steinbrücke bog, blitzten die Scheiben im Abendrot auf. Die Soldaten schauten zu, wie ein Mann in einem Umhang und mit einem tief ins Gesicht gezogenen Hut langsam ausstieg.
    Der Mann starrte an der Schlossfassade hinauf, drehte sich um und durchschritt, ohne auf die Soldaten zu achten, den überwucherten Garten. Sei es wegen seiner langsamen, entschlossenen Schritte oder wegen der außergewöhnlichen Aura von Autorität, die er ausstrahlte, jedenfalls dachten die Truppen nicht länger, dieser Abend wäre nichts als nutzloser Wahnsinn. In Auxigny lag etwas Bedrohliches in der Luft.
    Bertrand Marchenoir stand am Eingang zum Schrein, die Kleider des Zigeuners und dessen Degen noch in den Händen. Der Mann in dem Umhang sah ihn an. «Ist alles vorbereitet, Moloch?»
    «Ja, Luzifer.»
    Luzifer drehte sich um, um den Sonnenuntergang zu betrachten, und führte Moloch dann rasch in den Schrein. Die Gefallenen Engel hatten sich versammelt.

    Die Sonne versank in geschmolzener Pracht. Die blauschwarzen Schindeln auf den Türmchen des Schlosses waren der letzte Teil des Gebäudes, der von der Sonne vergoldet wurde. Ein Falke, der auf dem Dach nistete, glitt schwarz über den dämmrigen Himmel.
    Eine nach der anderen wurden die Fackeln angezündet. Rauch stieg von ihren Flammen auf, rot und schwarz, eine Linie aus Feuer vom Schloss zum Schrein. Der Wind zerrte an den Flammen und trieb den Rauch auf die dunklen Berge zu.
    Die Soldaten machten sich bereit. Die Trommler zurrten die ledernen Seile nach unten, um die Felle ihrer Instrumente zu spannen.
    Colonel Tours, der das alles nicht verstand, wusste nur, dass Ungehorsam den Tod bedeutete. Er wartete, bis der Himmel dunkel war, bis die Nacht von Luzifers Tag hereingebrochen war, dann nickte er. «Auf geht’s.»
    Das Ende war gekommen.

    Sie zitterte vor Angst. Sie hatte an den Klinken der Türen zum Musikzimmer gezerrt, bis ihre Hände schmerzten, doch sie waren fest verschlossen. Danach hatte sie sich an den Wänden entlanggetastet und es an sämtlichen Türen versucht, bis sie schließlich auf die Stufen der kreuzgangartigen Arkaden gesunken war. Sie hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Angst sickerte in ihre Seele, während das Frösteln des riesigen, leeren Schlosses langsam in ihre Knochen kroch. Sie hatte gewusst, dass sie Angst haben würde, doch auf dieses langsame, finstere Entsetzen war sie nicht gefasst gewesen. Sie hatte Angst, dass ihr Bruder doch tot war, Angst, dass sie verraten worden war.
    Sie bekämpfte die Angst, indem sie sich vorstellte, wie dieser Abend in Lazen verlief. Die Ernte war inzwischen sicher eingefahren, die Heuschober waren voll, und in den langen Lagerräumen hing der Duft der in Gestellen gelagerten Äpfel in der Luft. Sie dachte an die Milchküche mit ihren hellen Wänden, klappernden Eimern und weißgestrichenen Stufen, auf denen die Mädchen am Abend saßen und den Männern entgegensahen, wenn sie von den Feldern zurückkamen. Bei dem

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