Die dunklen Engel (German Edition)
überraschte sie. Mitten in dieser einsamen Heide war ein Kavallerist in seiner Uniform aus blauer Jacke und Reithose mit roten Aufschlägen, Goldborten und Rockbesatz aus Schnüren und Portepee aufgetaucht. Eine bestickte Säbeltasche baumelte an seiner Seite, seine Epauletten waren mit kleinen Goldketten verziert. «Sind Sie verletzt, Verehrteste?», fragte er besorgt.
«Nur in meinem Stolz.» Es klang wie ein Quieken, sie versuchte es lauter, aber dann fiel ihr Blick auf ihren Angreifer.
Er konnte nicht mehr leben. Seine dunklen Lumpen und das strähnige Haar waren rot vor Blut. Die Hose hing ihm um die Oberschenkel. Sein Hals war von einem großen Säbel halb durchgetrennt worden, von blutbeflecktem, blitzendem Stahl, den ihr Retter in den Rasen gestoßen hatte. Der Mann musste sofort tot gewesen sein.
Campion atmete in keuchenden Zügen. Ein Klumpen Blut, dick wie Honig, sickerte über den in der Sonne schimmernden Säbel. Galle stieg in ihrer Kehle auf, und sie schluckte sie mit Mühe herunter.
Der Kavallerist drehte sich um, um sein Opfer anzusehen. «Ich hätte ihn nicht umbringen sollen.»
Sie runzelte die Stirn. «Sir?»
«Er hätte hängen sollen.» Die Stimme ihres Retters war plötzlich voller Empörung. «Gottverdammt. Er hätte hängen sollen!»
Seltsamerweise kam ihr das witzig vor. Sie stieß ein würgendes Lachen aus. Sie wusste, dass sie verrückt klang, doch sie konnte nicht anders, als gleichzeitig zu lachen und zu weinen und zu schluchzen.
Der Kavallerieoffizier hockte sich neben sie. «Ganz ruhig jetzt! Ruhig!»
Sie schüttelte den Kopf, schluckte. Dann atmete sie tief durch. «Es geht mir gut, Sir.» Wieder kamen die Worte nur als Schluchzer aus ihr heraus, und sie zwang ihre zitternde Stimme zur Ruhe. «Ich danke Ihnen, Sir.» Die Worte brachten sie zum Weinen.
Der Kavallerist nahm ein Taschentuch aus seinem Ärmel, hielt es ihr hin, dann sah er, dass sie mit beiden Händen den Mantel festhielt, um ihre Nacktheit zu bedecken. Ihre Tränen schienen ihm peinlich zu sein, und er stand auf. Er ging zu dem Degen, zog ihn aus dem Rasen und reinigte die funkelnde Klinge mit dem gefalteten Taschentuch. Er musste an dem Blut reiben, und als er fertig war, warf er das Taschentuch weg.
Dann drehte er sich wieder um. Sie hatte aufgehört zu weinen, kniete im Gras und schaute ihn an. Er lächelte beruhigend. «Meine Gegenwart, Mylady, war ein wahres Glück.»
«In der Tat, Sir.» Endlich hatte sie ihre Stimme wieder. Das alles kam ihr ganz unwirklich vor, und doch setzte das Universum sich langsam wieder zusammen. Sie konnte den kalkigen Boden an den Wällen der alten Feste sehen, die Schatten des Stechginsters, das Nest einer Misteldrossel als schwarzer Klecks in einer kahlen, verkümmerten Ulme.
Er lächelte sie an. «Ich reise nach Shaftesbury. Jemand hat gesagt, das hier sei eine Abkürzung.» Geräuschvoll stieß er den Säbel zurück in die Scheide. «Mein Diener kommt morgen nach.» Er schien die Stille mit bedeutungslosen Worten füllen zu wollen. Sie nickte.
«Waren Sie allein?», fragte er.
«Ja, Sir.» Sie schluckte. Es schien ihr, als wollten die Worte um sie herumwirbeln. Sie schloss die Augen. Im Kopf hörte sie immer wieder den satten Hieb der Klinge.
Der Kavallerist ging sich den Phaeton ansehen, und sie schlug die Augen auf, wandte sich um und sah, wie er das Geschirr löste und die wundersamerweise unverletzten Braunen von den Trümmern der Kutsche wegführte. Sie kniete immer noch und zitterte, wischte den Speichel von ihrem Mund am Kragen seines Mantels ab.
Die Kopfbedeckung des Kavalleristen war in dem Tumult heruntergefallen. Auf seinem blonden Haar und seinem Schnurrbart schimmerte die Sonne. Sein rundes Gesicht war von der Kälte gerötet. Sie schätzte ihn auf ungefähr dreißig Jahre. Zügig band er die Braunen mit ihren Leinen an die zerbrochene Sprengwaage des Phaeton.
Als er fertig war, rieb er die Hände gegeneinander, dann nahm er große, weiße lederne Stulpenhandschuhe aus seinem Gürtel und zog sie an. Der rechte Handschuh war mit hellem Blut befleckt. Er lächelte. «Die Pferde sind versorgt, jetzt zu Ihnen, Madam.»
Sie hatte das Bedürfnis, sich zu entschuldigen. «Es tut mir leid.»
«Verehrteste! Ihnen tut es leid! Gütiger Himmel! Ich sollte mich entschuldigen. Einen Augenblick früher, und ich hätte die ganze verdammte Sache von vornherein verhindern können.» Er blieb neben dem Toten stehen und hob die goldene Kette mit den diamantenen
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