Die dunklen Engel (German Edition)
Rauch aus seinen vielen Schornsteinen trieb flach über das winterharte Land.
Knarrend und schaukelnd erreichte die Kutsche den letzten flacheren Anstieg. Der Kutschenschlag schwang auf, und die Männer, die um den Karren herumstanden, nahmen die Mützen ab, als sie das weiße Gesicht des kranken Grafen sehen konnten. Zum Dank für ihre gemurmelten Grüße hob er die Hand.
Man hatte den Schlag geöffnet, damit der Graf mit eigenen Augen sehen konnte, was hier oben geschah.
Lord Culloden stieg ab. «Sind Sie bereit, Mylord?»
«Ja.» In der Stimme des Grafen lag eine grimmige Freude.
Das Gras unter dem Galgen war zertrampelt. Im Süden konnte Lord Culloden das Heideland sehen, wo er Campion gerettet hatte. Der Himmel über ihnen war grau und weiß. Er nickte den wartenden, frierenden Männern zu. «Tun Sie Ihre Pflicht!»
Die Leiche des Mannes, der Lady Campion Lazender angegriffen hatte, war von der Heide geholt worden. Man hatte ihn nackt ausgezogen und dann mit Ketten verschnürt. Die Kettenglieder rasselten vergnügt, als die Männer die Leiche vom Karren hievten, sie auf den Boden plumpsen ließen und an den Füßen zum Galgen schleiften.
Eine Leiter hatten sie vergessen, doch einer der kleinen Jungen, die gekommen waren, um zuzusehen, kletterte den Pfosten hoch und setzte sich rittlings auf den Querbalken. Sie warfen ihm einen Strick hoch, den er durch den rostigen Eisenring am Balken fädelte. Er blieb oben hocken.
Sie banden den Strick im Genick des Toten an die Ketten, dann zogen sie ihn hoch, bis er wie ein unförmiger Sack am Balken hing. Er würde verwesen, und die Ketten würden das sich zersetzende Fleisch halten, wenn die Vögel an ihm rissen. Gegen Ende des Winters würden nur noch Knochen und rostige Ketten übrig sein.
Der Graf beobachtete das alles mit grimmiger Genugtuung. Es war eine Schande, dass er den Scheißkerl nicht hatte lebendig aufknüpfen können, doch nun hing er tot an einem Ort, wo er von nun an jeden Tag aufs Neue vom Tal von Lazen aus zu sehen war; als Warnung für alle, die es wagten, seine Familie anzugreifen.
Während die Männer den Toten hielten, knotete der kleine Junge den Strick an den Eisenring. Dann ließen die Männer ihn los. Die Leiche drehte sich langsam, der halbabgetrennte Kopf baumelte vorne auf die Brust. Lord Culloden trat zurück, strich über seinen blonden Schnurrbart und warf durch den offenen Kutschenschlag einen Blick auf den Grafen. «Möge Gott seine Seele verdammen, Mylord.»
«Seine Seele kann Gott haben», sagte der Graf, «aber seine Knochen kriege ich. Ich will sie für die Schweine mahlen.» Vor Schmerz verzog er das Gesicht. «Geben Sie den Männern ihr Geld, Mylord, und legen Sie noch eine halbe Guinee für den Burschen obendrauf! Und dann nach Hause!»
Campion, die von der langen Galerie aus zuschaute, sah den dunklen Fleck am Horizont hängen. Neben ihr runzelte Mrs. Hutchinson, ihre Gesellschafterin und Anstandsdame, die Stirn. «Hängen ist noch viel zu gut für ihn, meine Liebe.»
Campion lächelte die alte Frau an. «Da, wo er hingegangen ist, Mary, leidet er weit mehr.»
«Ich hoffe es sehr, meine Liebe. Ich hoffe es. Sie kennen mich, ich bin nicht rachsüchtig, aber ich hätte ihm mit eigenen Händen das Herz aus dem Leib gerissen. Jawohl, das hätte ich!»
Campion lachte. «Sie können doch keiner Fliege etwas zuleide tun!»
Mrs. Hutchinson versuchte ein wütendes Gesicht zu machen, doch das war hoffnungslos. «Nun, wenigstens bleibt Lord Culloden noch hier! Ich danke dem guten Gott, dass er ihn geschickt hat, meine Liebe, ja, wahrlich, das tue ich.»
Campion sah die alte Dame an und lächelte. «Ich auch.»
«Und Sie verzeihen mir, dass ich das sage, meine Liebe, aber es ist schön, wieder einen Gentleman im Haus zu haben! Es ist zu lange her! Viel zu lange.»
«Das stimmt, Mary, das stimmt.» Campion lächelte, und schon tauchte plötzlich, ebenso zwangsläufig wie störend, das Bild eines schwarzhaarigen Mannes auf, der mit der jungen Magd an der Küchentür schäkerte. Verärgert drängte sie das Bild beiseite. «Ich bin froh, dass er bleibt.» Bei diesen Worten legte sie Wärme in ihre Stimme, und sie sagte sich, wie sie es sich seit dem schrecklichen Angriff auf der Straße durch die Heide schon ein Dutzend Mal gesagt hatte, dass ihr Zusammentreffen mit Lord Culloden eine wunderbare Vorsehung des Himmels war.
Lewis Cullodens dramatischer Auftritt in ihrem Leben hatte sie eine halbvergessene Stelle in Mr.
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