Die dunklen Engel (German Edition)
schloss die Augen vor dem Anblick.
«Lady Campion?» Lord Cullodens Stimme war sanft.
«Mylord?» Sie schlug die Augen auf und zwang sich, ruhig zu bleiben.
Er errötete, wodurch sein blonder Schnurrbart noch heller erschien. «Wenn Sie den Mantel so festhalten, muss ich Sie, fürchte ich, in den Sattel heben. Können Sie das ertragen?» Er lächelte.
Sie nickte.
Mühelos hob er sie auf sein Pferd, sodass sie seitlich auf dem Sattel saß, dann kletterte er auf den zertrümmerten Phaeton, um sich auf einen der Braunen zu schwingen. Er nahm die lange Fahrleine und die Leine des anderen Pferds und lächelte sie an. «Nach Lazen, Mylady. Den Kadaver des Drachen lassen wir liegen!»
Plötzlich fror und zitterte sie trotz der zwei Mäntel, doch die Erleichterung, dass alles gut ausgegangen war, überwältigte sie schier. Sie war jetzt sogar ein wenig übermütig und lachte, als Lord Culloden mit ihr sprach und sie den steilen Hügel zur Ortschaft hinunterritten. Er war in ihrer Gegenwart immer noch nervös, schaute sie oft an, um sich zu vergewissern, ob eine kleine witzige Bemerkung auch gut aufgenommen wurde, und sooft sie ihn anlächelte, strich er mit den Fingern über seinen Schnurrbart. Je mehr die Aufregung der Rettung verblasste, desto schüchterner wurde er, fast verlegen in ihrer Gegenwart. Sie erinnerte sich an eine Geschichte über seine Familie, sein Vater hatte den Großteil des Besitzes verspielt. Vermutlich war Lord Culloden solche Pracht wie auf Lazen nicht gewohnt.
Als sie durch die Ortschaft ritten, ernteten sie neugierige Blicke von den Menschen, die sie vorbeireiten sahen, und als sie zu den Torhäusern kamen, machte Lord Culloden halt und schüttelte verwundert den Kopf. Vor ihm, wie ein Hügel aus Stein und Glas, lag Lazen in seiner ganzen Pracht. Wenn man Lazen so zum ersten Mal sah, konnte man sich leicht vorstellen, warum manche Menschen Lazen als «kleines Königreich» bezeichneten.
«Es ist großartig! Großartig! Ich hatte natürlich davon gehört, aber …»
Sie lächelte. Er hätte die Worte nicht besser wählen können, um ihr eine Freude zu machen, so sehr liebte sie diesen Ort. «Mein Vater möchte Ihnen sicher seinen Dank aussprechen, Mylord.»
Er wurde rot vor Verlegenheit. «Ich möchte nicht aufdringlich sein, Mylady.»
Sie wehrte seine Bescheidenheit ab und drängte ihn weiter, und so ritten sie zusammen nach Lazen.
5
Es war das erste Mal seit drei Jahren, dass der fünfte Earl of Lazen das Schloss verließ.
Von drei Dienern wurde er die Treppe hinuntergetragen und dann vorsichtig auf den gepolsterten Sitz der bequemsten Reisekutsche gesetzt. Er verließ seine Räume nur widerwillig, denn er hatte es nicht gerne, wenn Außenstehende sahen, wie schwach er war.
An diesem Tag war er nüchtern. Sein blasses und verhärmtes Gesicht erschien Campion wie das eines alten Mannes. Sie würde ihn nicht begleiten, doch als sie zusah, wie die Decken um seinen dünnen Körper festgesteckt wurden, dachte sie, dass das harte Winterlicht ihn zwanzig Jahre älter aussehen ließ. Sein Diener Caleb Wright bestieg die Kutsche, und der Kutschenschlag wurde geschlossen.
Der Graf nickte Wright zu, der auf das Dach der Kutsche klopfte, und als die Kutsche vorwärtsruckte, verzog der Graf das Gesicht. Selbst kleine Bewegungen bereiteten ihm Schmerzen, und doch hatte er darauf bestanden, an diesem Tag auszufahren.
Es war schließlich nicht weit.
Die Kutsche fuhr die Auffahrt hinunter, durch das riesige Tor mit seinen in den Stein der Pfosten gehauenen Wappenschildern mit der blutigen Lanze von Lazen, vorbei an den Torhäusern mit ihren eleganten geschwungenen Flügeln, dann schwenkte sie nach rechts auf das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes, um die Straße nach Shaftesbury zu nehmen.
Lord Culloden ritt neben der Kutsche. Sein Gesicht war, der Gelegenheit angemessen, frostig.
Simon Burroughs, der oberste Kutscher von Lazen, hatte weitere Pferde mitgenommen, und als sie das Feld am Fuß von Two Gallows Hill erreichten, wurden diese zusätzlich zu den sechs Pferden angeschirrt, die bereits die Kutsche zogen, sodass das schwere Gefährt bis oben auf den Hügel gezogen werden konnte.
Während die Kutsche holpernd hinauffuhr, wartete dort oben in der Nähe des geteerten Galgens, der sich nach Osten in Richtung Ortschaft neigte, ein gewöhnlicher Karren.
Eine kleine Gruppe Männer stand frierend um den Karren herum. Das Schloss lag wie ein großes steinernes Monument unter ihnen im Tal. Der
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