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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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Burkes «Betrachtungen über die Französische Revolution» nachschlagen lassen: «… die Zeiten der Rittersitte sind dahin. Das Jahrhundert der Sophisten, der Ökonomisten und der Rechenmeister ist an ihre Stelle getreten». Da irrt sich Mr.   Burke aber, dachte sie. Die Zeiten der Rittersitte waren mit blitzendem Säbel und donnernden Hufen die einsame Straße nach Süden heraufgekommen. Eine Jungfer war gerettet, ein Bösewicht gehängt worden, und ein Lord war in ein Schloss gekommen. Nein, redete sie sich ein, Ritterlichkeit existierte noch.

    «Wenn sie den König umbringen», sagte Valentine Larke, «müssen wir Paris in ein Schlachthaus verwandeln. Wenn wir nichts tun, billigen wir das Verbrechen. Wir müssen kämpfen!»
    Sein Begleiter lachte. «Womit? Wir haben die Armee schon wieder verkleinert!» Der Premierminister glaubte, jetzt, wo die französische Nation, wie Burke prophezeit hatte, sich selbst in Blut und Feuer zu zerstören versprach, würde England keine Armee mehr brauchen.
    Larke starrte in die Nacht von Westminster und wartete darauf, dass sich eine Droschke oder eine Sänfte an den Stufen des Parlaments zeigte. Seit London mit solch einer Geschwindigkeit wuchs, dass das Fortkommen immer mühsamer wurde, wurden Sänften rarer. Sein breites Gesicht sah grimmig aus im Licht der großen Laternen. Graupel fiel auf das Kopfsteinpflaster.
    Sein Begleiter zitterte in seinem Mantel. «Sie bekommen Ihren Krieg, Larke, aber der Premierminister wünschte, Sie würden nicht so wütend danach schreien.»
    Larke lachte. «Ich schulde Pitt keinen Gefallen.»
    «Aber er könnte Ihnen einige tun.» Sein Begleiter lächelte. «Kommen Sie noch zu White’s?»
    «Nein.»
    «Arbeiten Sie schon wieder, mein lieber Larke?»
    «Ja.» In dem Augenblick näherten sich die Laternen einer Droschke, der ein Fackelträger mit lodernder Fackel vorauslief. Larke drückte seinen Hut auf das krause, schwarze Haar und nickte seinem Begleiter zu. «Meine, glaube ich.»
    Valentine Larke lief zu der Droschke, stieg hinein und rief dem Kutscher sein Ziel zu. Er hörte den Graupel auf die Decke fallen, die über den Knien des Kutschers lag, und lächelte. Wieder einmal hatte er in dem von Kerzen erhellten Unterhaus eindringlich zum Krieg aufgerufen. Er wusste, dass Großbritannien noch nicht bereit war für einen Krieg, er wusste, dass Pitt alles in seiner Macht Stehende tun würde, um einen Krieg zu vermeiden, also war dies genau der richtige Zeitpunkt, mit dem Säbel zu rasseln und nach einem Blutbad zu schreien. Valentine Larke, Belial der Gefallenen Engel, tat sich untadelig als Mann hervor, der die Franzosen und ihre verdammte Revolution hasste. Er lachte laut.
    «Haben Sie etwas gesagt, Sir?», rief der Kutscher.
    «Verflucht nochmal! Fahren Sie!»
    Die Droschke ratterte hinter dem langsamen Pferd durch die kalte Londoner Nacht. Larke, der sich auf dem ledergepolsterten Sitz behaglich zurückgelehnt hatte, sah die Huren in Türöffnungen Schutz suchen, die Betrunkenen, die in dieser Kälte sterben würden, und die Kinder, die zum Betteln auf die Straße geschickt worden waren, während die Mütter zu Hause hurten. Wie sehr er diese Stadt liebte. Er kannte sie so gut, wie eine Ratte die dunklen, schattigen Ecken eines stinkenden Hinterhofs kennt.
    Die Droschke hielt in einer der neuen Straßen im Westen von London mit ihren großen Häusern mit weißem Stuck und schmiedeeisernen Geländern, in denen Fackeln steckten. Er gab dem Kutscher zwei Münzen und wartete darauf, dass die Droschke in dem schrägen, kalten graupeligen Regen verschwand.
    Er stieg nicht die Stufen unter den kunstvollen Säulengängen hinauf, sondern betrat eine unbeleuchtete, finstere Gasse, die nach Pisse stank. Beim Gehen hob er die Schöße seines schweren Umhangs, durchquerte eine Stallung, in der die Luft dick war vom Gestank des Pferdedungs, stieg über einen stöhnenden Betrunkenen hinweg, der nach Gin roch, und bog in eine weitere Gasse. Unter dem schweren Umhang trug er in einer Tasche seines dunklen Mantels eine Pistole bei sich, doch er ging ohne Angst. Dies war seine Stadt, durch die er sich so geschickt bewegte wie ein Jäger im Wald.
    Vor ihm ertönte Musik.
    Er hätte den Kutscher anweisen können, ihn vor der glitzernden, beeindruckenden Fassade des Gebäudes abzusetzen, dem er sich jetzt näherte, doch Heimlichtuerei war Valentine Larke zur zweiten Natur geworden. Von hinten näherte er sich dem Gebäude, nicht weil er heimlich kam,

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