Die dunklen Engel (German Edition)
sondern weil er stets den verborgenen Zugang bevorzugte. Er war Belial.
Die Gasse öffnete sich hinter einem überwölbten Torgang in einen kleinen, von Backsteinmauern gesäumten Hof, wo sich Abfälle und Speisereste häuften, die aus einer geschäftigen Küche geworfen worden waren. Es war ein stinkender Ort für Ratten und Katzen, ein Ort, an dem die Sonne nur im Sommer zur Mittagsstunde schien.
Drei Männer waren dort, alle prächtig gekleidet. Unter den aufgeknöpften Mänteln kamen Rüschenhemden und lange Seidenstrümpfe zum Vorschein. Die Tür am oberen Ende der Treppe, die in das herrschaftliche Haus führte, stand offen und warf einen Streifen gelbes Kerzenlicht in den Hof.
Falls die drei Männer Larke sahen, dann achteten sie nicht weiter auf ihn.
Einer der drei – ein streitsüchtiger, hässlicher Mann – lachte, während er den Latz seiner Kniehose aufzuknöpfen versuchte. Rülpsend gelang es ihm endlich. Er zielte auf die Wand. «Zieh ihr die Röcke hoch, Robin!»
Eine alte Frau, eine Säuferin, war in den Küchenhof gekommen, um zu stöbern. Entweder war sie vor Trunkenheit zusammengebrochen oder von den drei jungen Männern, die über ihre Hilflosigkeit lachten, zusammengeschlagen worden.
«Kompanie!» Ein großer junger Mann, in dem Larke den Ehrenwerten Robin Ickfield erkannte, zog das Wort in die Länge wie ein Ausbildungsunteroffizier auf dem Exerzierplatz. «Kompanie! Feuer!»
Die drei pissten auf die Frau und lachten laut, als sie versuchte, ihrem Strahl zu entkommen.
Leise ging Valentine Larke hinter den dreien vorbei und trat die Stufen zum Haus hinauf. Die jungen Herren waren mit ihren Spielchen beschäftigt, und das war kein guter Zeitpunkt, um sie zu stören. Es gab nur wenig im Leben, was gefährlicher war als die müßigen, gelangweilten jungen Männer der Londoner Gesellschaft.
Nachdem Larke das Haus betreten hatte, ging er durch ein Vorzimmer in die große, hellerleuchtete Halle, zu der sich die Haustür öffnete. Ein unter seiner prächtigen Livree recht muskulöser Diener beäugte Larke, der sich leise aus dem hinteren Teil des Hauses näherte, doch dann erkannte er ihn und entspannte sich. «Mr. Larke, Sir.»
Während Larke dem Mann seinen Mantel, seinen Hut und seinen Stock gab, öffnete sich eine Tür zur Linken der Halle, und eine große Frau mittleren Alters in grotesker Aufmachung trat heraus. Sie war in grelle purpurrote Seide gekleidet, ihr aufgetürmtes Haar wurde von einer Feder überragt, die im selben Ton gefärbt war. Auf ihrer riesigen Brust hing ein goldener Anhänger. Als sie Larke sah, blieb sie stehen, rümpfte die Nase und nickte dann kalt. Die Feder zitterte über ihrem Kopf. «Mr. Larke, wie ich sehe.»
Er verbeugte sich vor ihr. «Ihr Diener, Madam.»
«Ich nehme an, Sie möchten etwas zu essen», sagte sie ungnädig.
«In der Tat, Madam.»
«Und Sie zahlen auch die Rechnung, Mr. Larke?» Die kleinen Augen in dem formlosen, dicklichen Gesicht, das wirkte wie ein Teigklumpen, den man wahllos auf das ausladende Dekolleté gesteckt hatte, starrten ihn an. Sie schien überhaupt keinen Hals zu haben. Ihr monströser Kopf ruckte, bis die Perlen in ihrem hochgetürmten Haar zitterten. «Ich bin kein Wohltätigkeitsverein, Mr. Larke.»
Er lächelte. «Nein, in der Tat, das sind Sie nicht, Mrs. Pail.»
Mit gerümpfter Nase fegte sie weiter, begleitet von zwei kleinen Dienern, die hinter ihr herscharwenzelten wie Pagen. Sie hieß Abigail Pail, und dies war ihr Reich.
Mrs. Abigail Pails Etablissement war berühmt in London, nicht wegen des Essens, das vorzüglich war, oder wegen des schnellen Glücksspiels, sondern vor allem wegen der jungen Frauen, die vorzüglich und schnell waren. Die hässlichste Frau Londons führte das beste Bordell der Stadt. Hierher kamen die Reichen und Adligen, um zu spielen, hier verloren sie ihr Vermögen, hier wurden all ihre Bedürfnisse zu wahren Wucherpreisen erfüllt.
Die drei Männer, die sich im Küchenhof erleichtert hatten, kamen lärmend zurück in die Halle. Der Streitsüchtige, dessen schwarzes Haar so kurz geschnitten war wie ein Striegel, hatte sich den roten Seidenmantel mit Erbrochenem bekleckert. Er sah Valentine Larke und lachte. «Gütiger Himmel! Die lassen Sie hier rein?»
Larke verbeugte sich lächelnd. Sir Julius Lazender, dachte er, hat einen Verdienst, und zwar Beständigkeit. Er ist die ganze Zeit ekelhaft.
Sir Julius strich sich den Regen vom Mantel. «Abigail erlaubt Ihnen
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