Die dunklen Engel (German Edition)
Westminster Abbey.»
«Unsinn, Vater.»
«Das ist kein Unsinn. Und es bedeutet, mein Kind, dass Lazen an einem sehr dünnen Faden hängt. Und auch wenn du bloß ein Mädchen bist, setze ich dich ein, um diesen Faden zu stärken.»
Sie lächelte. «Obwohl ich bloß ein Mädchen bin?»
«Weshalb es wichtig ist», fuhr ihr Vater fort, «dass du deinen Ehemann klug wählst. Wie auch immer, es gibt nicht den geringsten Zusammenhang zwischen dieser Sache und der nächsten Angelegenheit, die ich zur Sprache bringen möchte. Lesen Sie vor, Scrimgeour.»
Der Anwalt legte ein Blatt Papier zur Seite und nahm ein anderes zur Hand. Nachdem er sich die Lippen geleckt hatte, linste er kokett über seine Brille zu ihr hinüber und las dann vor, was auf dem Blatt stand. «Lewis James McConnell Culloden, vierzehnter …»
«Vergessen Sie seine Titel», brummte ihr Vater. Er sah Campion an. «Ich habe Scrimgeour gebeten, herauszufinden, wer er ist.»
Sie spürte, dass sie rot wurde, und schwieg.
Scrimgeour lächelte sie an. «Besuchte natürlich das Eton College, waren wir da nicht alle?» Er lachte leicht. «Dann Kings, natürlich, doch er blieb nicht, um sein Bakkalaureat zu machen. Die Familie hat ihre Ländereien in Irland verloren, ich fürchte, sein Vater war ein Spieler. Aus den Überresten ließ sich so viel retten, dass Seine Lordschaft, in der Nachfolge seines Vaters, ein Offizierspatent bei den Royal Horse Guards erwerben konnte. Ein ausgezeichnetes Regiment, natürlich. Haus in London, sehr hübsch, und Besitz in Lancashire, Cheshire und die Überbleibsel eines kleinen Guts im County Offaly. Die Letztgenannten sind alle hypothekarisch belastet. Keine Skandale, Mylord. Er ist aktives Mitglied der anglikanischen Kirche, natürlich, und er hat erst zweimal vor dem Oberhaus gesprochen; einmal über das Thema weiße Rüben, das andere Mal hat er die Übernahme österreichischer Kavalleriesäbel befürwortet. Sein Ruf, Mylord, ist der eines ruhigen, stillen, verlässlichen Mannes, politisch sehr zuverlässig, dessen Familie harte Zeiten hat durchmachen müssen. Er hat nie geheiratet.» Scrimgeour lächelte und legte das Blatt beiseite.
«Was er damit sagen will», sagte der Graf, «ist, dass Lewis nicht die Pocken hat.» Campion wurde rot, und der Graf lächelte. «Und mit dieser guten Nachricht, Scrimgeour, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns allein ließen.»
Cartmel Scrimgeour stand auf und verbeugte sich. «Mylord. Lady Campion.» Würdevoll schritt er aus dem Raum.
«Nun?», fragte ihr Vater.
Sie stand auf, ging zum Fenster, wischte das Kondenswasser von einer Fensterscheibe und starrte auf die dünne Schneeschicht, die in der Nacht gefallen war. Die Hecken wirkten fast schwarz gegen das ungewohnte Weiß. Sie hoffte, für die Fuchsjagd am Freitag würde es wärmer werden.
«Nun?»
«Nun was, Vater?» Sie wandte sich um.
Er schaute sie an. Ihre Schönheit war ihm stets ein Trost, sie war sogar schöner als seine Frau, deren Porträt seit fünfzehn Jahren auf einer Staffelei am Fuß seines Bettes stand. «Du fängst jetzt nicht an zu weinen, oder?»
«Warum sollte ich?»
«Weil mein Darm, Kind, den ich sowieso nicht kontrollieren kann, seit kurzem Blut ausscheidet. Fenner, der von nichts eine Ahnung hat, sagt, es bedeute nichts. Er lügt. Ärzte lügen immer. Sie sind noch schlimmer als die verdammten Anwälte. Ich habe Schmerzen wie der Teufel, und ich werde sterben.»
Sie hätte am liebsten geweint, hätte sich am liebsten auf sein Bett, in seine Arme geworfen und geweint.
Doch sie blieb stehen, wo sie stand, und schaute ihn an. Die Tränen brannten in ihren Augen.
«Weine nicht über mich, Mädchen. Weine nach meinem Tod, aber solange ich lebe, schenk mir ein Lächeln.»
«Vater.»
Er lachte, streckte seinen guten Arm aus, und sie ging zu ihm, ließ sich von ihm halten und weinte trotzdem. Er streichelte ihren Hals. «Hol mir einen Brandy, Mädchen.»
«Du sollst doch nicht trinken, Vater.»
«Für dich, dummes Mädchen.»
Sie lachte. Er hatte sie immer zum Lachen bringen können. Sie trocknete sich die Augen an seinem Kissen und verschmierte es mit Schminke. Der Anblick ihres Gesichts ließ ihn lachen. «Hol uns beiden einen Brandy, Mädchen. Betrink dich mit deinem Vater, das tun nicht viele Mädchen.»
Sie schenkte ihm einen kleinen Brandy ein, was ein geringschätziges Schnauben provozierte, und sich selbst einen noch kleineren. «Nun, Vater?»
«Möchtest du ihn heiraten? Scrimgeour
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