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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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mir leid, Scrimgeour, ich hatte vergessen, dass Sie noch hier sind.»
    Der Anwalt lachte. «Eure Lordschaft ist stets so rücksichtsvoll.» Er schaute Campion an. «So viel Geist!»
    Sie wagte nicht, ihren Vater anzusehen. Wären ihre Blicke sich begegnet, wäre sie in lautes Gelächter ausgebrochen.
    «Nun!», bellte ihr Vater. «Wir sind hier wegen einer ernsten Angelegenheit zusammengekommen. Was geschieht, wenn ich sterbe.» Plötzlich aufgeschreckt schaute sie ihn an, und er erwiderte ihren Blick finster. «Weine nicht, kleines Fräulein. Ich ertrage weinende Frauen nicht! Deine Mutter, Gott hab sie selig, hat nie geweint. Es gibt nichts Schlimmeres als eine weinende Frau, stimmt’s, Scrimgeour?»
    «Sie sind ein Fluch, Mylord.» Scrimgeour hatte geschickt die Drahtbügel einer Halbbrille unter seine Perücke geschoben.
    «So.» Ihr Vater warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu. «Du sitzt da und sagst nichts, meine Liebe, und hörst uns Männern zu, wie wir reden. Sagen Sie ihr, was in dem Testament steht, Scrimgeour.»
    Campion blickte von dem Anwalt zu ihrem Vater und wieder zu dem Anwalt. Natürlich hatte sie gewusst, dass Cartmel Scrimgeour nach Lazen gekommen war, doch sie hatte angenommen, es wäre ein ganz normaler Besuch. Als sie in das Zimmer ihres Vaters gerufen worden war, hatte sie erwartet, bloß über die Verwaltung des Schlosses und des Guts zu reden. Und jetzt das? Das Testament ihres Vaters? Sie wollte widersprechen, doch der dicke Anwalt, der Daumen und Finger über den Papieren ausgebreitet hatte, als würde er eine Zauberformel aussprechen, ergriff zuerst das Wort.
    «Sie verstehen, Mylady, dass wir alle, trotz dieses unerhört schmerzlichen Themas, Ihrem Vater ein langes und sehr glückliches Leben wünschen.»
    «Himmel!», stöhnte der Graf. «Jetzt machen Sie schon.»
    Scrimgeour hob ein zusammengerolltes Blatt Papier auf. «In dem unglücklichen Fall, Verehrteste, des Ablebens Ihres lieben Vaters …»
    «Vater!»
    Der Graf blickte sie ganz unschuldig an. «Hast du eine Spinne gesehen?»
    «Worüber reden wir hier?»
    Er lächelte über ihren entsetzten Tonfall. «Ich tue genau das, mein liebes Kind, was die Priester uns raten. Ich bereite mich auf meinen Tod vor.»
    «Aber …»
    «Sei still, Campion. Fahren Sie fort, Scrimgeour, normalerweise ist sie vernünftiger.»
    Der Anwalt lächelte schmeichlerisch. «In dem unglücklichen Fall, Verehrteste, des Ablebens Ihres Vaters werden das Gut und der Titel natürlich an Ihren Bruder, Lord Werlatton, übergehen.»
    «Sie weiß, wer ihr Bruder ist, Scrimgeour!»
    «Eure Lordschaft tut ganz recht, mir das zu sagen!» Er schenkte dem Grafen ein fröhliches, dankbares Lächeln. «Soll ich die Einzelheiten von Lady Campions Vermächtnis hinzufügen?»
    «Nein. Darauf soll sie warten, bis ich kalt bin.» Der Graf lächelte sie an. «Periton House und ein anständiges Einkommen. Du wirst nicht frieren. Würdest du bitte aufhören, so zu schauen, als hättest du eine Spinne gesehen?»
    Sie ergriff seine Hand und hielt sie mit beiden Händen fest. Vermutlich sollte sie etwas zu ihm sagen, doch diese kaltblütige und plötzliche Beschäftigung mit den Einzelheiten seines Testaments bestürzte sie sehr, und sie schwieg mit offenem Mund.
    Ihr Vater schien das zu verstehen, denn er hob ihre rechte Hand zum Mund und drückte einen Kuss darauf. Dann nickte er seinem Anwalt zu. «Fahren Sie fort, Scrimgeour, achten Sie gar nicht auf diese Zurschaustellung väterlicher Zuneigung.»
    «Sie wärmt mir das Herz, Eure Lordschaft.» Wie um dies zu beweisen, tippte Mr.   Scrimgeour mit einem pummeligen Finger an eines seiner hervorquellenden Augen. Er lächelte Campion an. «Leider, liebe Lady Campion, hat Ihr Vater es für notwendig erachtet, Vorkehrungen für den Fall eines unglücklicheren Ausgangs zu treffen.»
    «Was er damit sagen will», unterbrach ihr Vater ihn, «ist, dass, falls mein verdammt dummer Sohn sich an einer französischen Kugel den Tod holt, dein Cousin die Grafenwürde erbt. Julius zum Graf zu machen ist, als wollte man einen Affen zum Erzbischof oder einen Anwalt zum Gentleman machen. Fahren Sie fort, Scrimgeour, lassen Sie sich durch meine Unterbrechungen nicht stören.»
    «Sie sind stets äußerst erhellend, Mylord.»
    Campion hatte kaum an diese Möglichkeit gedacht, doch plötzlich schien sie entsetzlich real zu sein. Es herrschte Krieg. Toby war auf eigenen Wunsch hin in Frankreich, und nur Toby stand noch zwischen der Grafenwürde

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