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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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plötzlichen Helligkeit konnte sie das immer höher steigende Seewasser erkennen.
    An der Tür zu ihren Räumen ging sie vorbei. Sie errötete, wusste, dass sie rot wurde. Sie hätte ihr Zimmer betreten und sich von Edna zu Bett helfen lassen sollen, doch stattdessen ging sie in den oberen Korridor und wandte sich dort zum Haupteingang der langen Galerie.
    Vielleicht hatte Edna die Kerze angezündet. Vielleicht war ein Diener gekommen, um etwas zu holen, und hatte die Kerze brennen lassen. Die Klinke war kalt. Sie drückte sie herunter und betrat den Raum.
    So plötzlich und strahlend wie der Blitz über dem See durchzuckte sie die Erleichterung. Der Zigeuner war da.
    Er stand vor dem Porträt der Nymphe und wandte sich zu ihr um, um sie anzusehen, dann richtete er den Blick, als sei ihr Eintreten ihm völlig gleichgültig, wieder auf das Porträt. Die Haare hatte er zurückgestrichen und mit einem Band zusammengebunden.
    Die Hand noch an der Türklinke, stand sie da und beobachtete den Zigeuner. Sie sollte etwas sagen, eine Erklärung für seine Anwesenheit verlangen, doch sie brachte kein Wort heraus.
    Er wandte sich wieder zu ihr um. Die Flamme der Kerze spiegelte sich in seinen seltsam hellen Augen. «Sollte ich hier sein, Mylady?»
    «Non.» Sie sprachen Französisch.
    «Dann hoffe ich, dass meine Anwesenheit Sie nicht beleidigt, Madame .» Er sprach ruhig, wie zu jemand Ebenbürtigem. Sie antwortete nicht. Dann trat er von dem Porträt zurück und wies auf die westliche Tür der Galerie. «Spukt es in diesem Raum nicht?»
    «So heißt es.» Sie rührte sich immer noch nicht.
    Er lächelte. «Ihr Bruder sagt, dort wurde ein Mann ermordet.»
    «Das sagt man, ja.»
    «Aber Sie glauben nicht an Geister?»
    «Glauben Sie daran?», fragte sie herausfordernd. Sie sollte ihn wegschicken, sollte die große Dame spielen, doch sie wollte mit ihm reden, wollte das Kerzenlicht auf seinen schmalen, feinen Zügen sehen und seine Stimme hören.
    Er lächelte wieder. «Oui.» Mit einer Geste wies er durch den Raum. «Ich glaube, dass jeder, der hier einst glücklich war, und jeder, der hier drin einst traurig war, einen Teil von sich zurückgelassen hat, glauben Sie nicht? Wäre der Raum derselbe, wenn er gestern erbaut worden wäre?» Sie schwieg. Er deutete eine Verbeugung an. «Ich habe gehört, ich muss Ihnen gratulieren, Mylady, zu Ihrem Glück.»
    «Vielen Dank.» Sie wunderte sich, wie es möglich war, ein solches Gespräch zu führen, ließ die Klinke los und trat einige Schritte auf ihn zu. «Ich denke, Sie sollten gehen.» Nur schwer kamen ihr die Worte über die Lippen.
    Er starrte sie an. Sein Lächeln schien anzudeuten, dass er wusste, was sie eigentlich hatte sagen wollen. «Ja.»
    Keiner rührte sich. Wenn er auf mich zukommt, dachte Campion, dann gehe ich auch weiter auf ihn zu. Wenn er die Hand hebt, hebe ich meine auch. Wenn er die Arme öffnete, gehe ich zu ihm. Sie wartete, erwartete es, wünschte es sich und ging fast auf ihn zu, als seine Hand sich bewegte.
    Er nahm die Kerze. «Mylady?» Seine Stimme war weich wie Samt und dunkel wie die Nacht. Er klang so stark. Sie zitterte wie ein Fohlen, das zum ersten Mal das Zaumzeug spürt.
    Lächelnd wandte er sich ihr zu, und er sah ihre geöffneten Lippen, ihre strahlenden Augen, und er fand, dass sie in diesem Augenblick noch schöner war als die Frau auf dem Porträt der Nymphe. Er tat einen Schritt, und sein Herz pochte laut, weil der Augenblick so zerbrechlich war. Da öffnete sich die Tür.
    Sofort löschte der Zigeuner die Kerzenflamme mit der Hand.
    Edna stand in dem Licht, das aus Campions Schlafzimmer in die Galerie fiel. Hinter ihr schimmerte das Licht von einem Dutzend Kerzen. «Mylady?»
    «Edna?»
    Das Dienstmädchen wirkte verschlafen. «Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört.»
    «Ich bin hergekommen, um ein Buch zu suchen.»
    «Im Dunkeln?» Edna lachte. «Ich hole eine Kerze. Der Regen ist schrecklich, was?» Sie ging ins Zimmer zurück. Campion schaute wie ein Verschwörer in die andere Richtung, um dem Zigeuner mit einer Geste zu verstehen zu geben, er solle sich verstecken, doch die Galerie war leer. Leise wie eine Katze, wie ein Schatten im Schatten, still wie Dunkles im Dunkeln, war er verschwunden, schneller als ein Herzschlag. Sie war traurig, als hätte er ein Spiel verdorben, und dann kam Edna mit einer flackernden Kerze wieder und fragte, welches Buch Campion gesucht habe.
    «Roter Ledereinband. Ich komme schon zurecht.»
    Doch das

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