Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
Vom Netzwerk:
Freunden von der Kavallerie zu irgendeinem nächtlichen Unsinn ein Pferd gesattelt? Doch dann blieb der Reiter stehen.
    Sie wusste, wer er war. Selbst im Schatten wirkten der Mann und das Pferd wie ein Wesen. So ritt nur ein Mann. Er war gekommen.
    Sie hatte sich gewünscht, er möge kommen und sie in all ihrer Pracht erblicken, hatte sich gewünscht, sein Gesicht zu sehen. Nichts von dem, was Achilles gesagt hatte, konnte daran etwas ändern. Die Schuldgefühle, die Scham, die Aufregung, alles vermischte sich und brandete in ihr auf. Sie starrte auf den Schatten im Schatten und fuhr sich mit der Hand an die Brust, als wollte sie ihren Herzschlag zügeln. Der Schatten rührte sich nicht.
    Sie drehte sich um.
    Sie sah sich im Spiegel auf der anderen Seite des Raumes, und ihr war, als betrachtete sie eine Fremde. Diese junge Frau in Seide, Federn und Gold war herausgeputzt, um einen Lord zu heiraten. Plötzlich war ihr nach Weinen zumute, und das ärgerte sie, und sie reckte den Kopf und ging, ohne sich noch einmal zum Fenster umzudrehen, langsam zur Tür.
    Caleb stand auf, als sie näher trat, und schloss leise die Tür zum Schlafzimmer des Grafen. «Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen, Mylady!»
    Sie lächelte. «Nein, Caleb, ich glaube, das ist nur die Aufregung.»
    «Das ist heute Abend wohl kein Wunder, Mylady. Und jetzt gehen Sie hinunter, man vermisst Sie sicher schon! Sie sehen wunderschön aus, Mylady, wenn Sie einem alten Mann verzeihen.»
    «Das sind nur Kleider, Caleb!» Sie zupfte an der bunten Pekingseide.
    «Ach! Nicht doch! Ich erinnere mich noch an Sie, wie Sie Windeln trugen, Mylady, und schon damals waren Sie eine Schönheit!»
    Sie lachte und ging zurück zum Ball mit all seiner Pracht, zurück zu der Aufregung, die ein schattenhafter Reiter so plötzlich in diese Nacht gebracht hatte.

    Sie trank Champagner, sie tanzte. Der Bischof bestand auf einem Menuett, hob die Füße wie ein alter Ackergaul und stampfte in einer Parodie auf die winzigen, exakten, gemessenen Bewegungen der Tänzer kräftig auf. Währenddessen erzählte er ihr mit dröhnender Stimme, dass er am Vormittag seinem Stallburschen geholfen habe, seinen Jagdpferden die Sprunggelenke mit einem scharfen Mittel einzureiben und zu bandagieren. Campion lächelte, gab höfliche Antwort und suchte die Menschenmenge am Rand des Saals ab. Sie wusste, dass der Zigeuner nicht in diesen prächtigen Raum kommen würde, und hielt trotzdem Ausschau nach ihm.
    Sie tanzte mit einem trübsinnigen französischen Comte, einem Exilanten, der im Haus ihrer Großmutter bitter Hof hielt, die anderen Tänzer stirnrunzelnd betrachtete und kaum ein Wort sprach, bis er sich elegant verbeugte, als die Musik endete. «Sie werden heiraten, Madame ?»
    «In der Tat, Mylord.»
    «Wenn Sie sich langweilen, Madame », dabei zupfte er an den spitzenbesetzten Manschetten unter dem Aufschlag seiner fadenscheinigen Ärmel, «stehe ich Ihnen jederzeit zu Diensten. Selbstverständlich diskret.»
    Staunend starrte sie ihm hinterher. Ihr Onkel lachte über sie, als er sie in den mit Säulen versehenen Salon führte, um unter dem prächtigen Deckengemälde nach Vecchio ein Glas Champagner zu trinken. «Er hat dir einen unsittlichen Antrag gemacht?»
    «Ich glaube ja, Onkel.»
    «Damit verdient er sich seinen Lebensunterhalt.»
    «Aber er ist so trübsinnig! Und hässlich!»
    Wieder lachte Achilles. «Meine Freundinnen, liebe Nichte, behaupten, er besäße besondere Fähigkeiten.» Mit hochgezogenen Augenbrauen reichte er ihr ein Glas Champagner.
    Sie lehnte mit ihm an der Tür, die sich in den Wassergarten öffnete. Auf den gekiesten Wegen, die zu den kleinen Steinbrücken über die seichten, von Karpfen bevölkerten Kanäle führten, spazierten Paare, die gelegentlich stehen blieben, sich unterhielten und sich küssten. Zwischen dem Schloss und hohen Stangen am westlichen Rand des Gartens waren Seile gespannt worden, an denen chinesische Papierlampions hingen.
    «Ganz besondere Fähigkeiten.» Die Worte ihres Onkels machten sie neugierig. Sie empfand nichts, wenn Lord Culloden sie küsste, nichts als Abneigung gegen seinen Schnurrbart. Was das wohl für Fähigkeiten waren, von denen Achilles da sprach? Doch sie wagte nicht, danach zu fragen. Sie kam sich seltsam kindisch vor. Vielleicht würden die Heirat und die Pflichten der Ehe sie in diese Welt einführen, die sie nicht verstand, diese Welt, in die sie nur durch halbverstandene Gesten und feine Anspielungen

Weitere Kostenlose Bücher