Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
ist eine Erfindung der Neuzeit.“
Nein, dachte Henryk. Verhoeven würde es nie verstehen.
„Was hast du ihm geschickt?“
„Ein Porträt.“ Henryk beobachtete ein Auto, das in die Straße unter dem Fenster bog. Scheinwerfer tasteten über den Asphalt. Das Geräusch des Motors füllte die Nacht. „Ein Porträt von Helene.“ Der Wagen bremste an der Kreuzung und verschwand hinter der Kirchenfassade. „Er wird wissen, was es bedeutet.“
„Aber warum?“ Verhoevens Stimme sank zu einem Flüstern hinab.
„Weil ich es satt habe.“ Mit einem Ruck drehte Henryk sich um. Er sah dem Galeristen ins gerötete Gesicht. „Ich ertrage es nicht länger, ein Nichts zu sein. Sie rühmen meine Arbeit, nur weil ich einen anderen Namen darunterschreibe. Aber den gleichen Pinselstrich, die gleiche Technik nennen sie dilettantisch, wenn ich mit meinem eigenen Namen signiere. Sie wollen meine Kunst, aber sie wollen nicht mich.“ Er dachte an Helene und an Martha. Martha, hart und schneidend wie Glas. Sie hatte nie ein Hehl aus ihren Motiven gemacht. „Was stimmt nicht mit mir, dass man mich hinter einem Vorhang verstecken muss? Ich mache das nicht länger mit. Ich will mein eigenes Leben.“
„Und was für ein Leben soll das sein? Ein Habenichts hinter Gittern?“
„Ich habe nichts Falsches getan.“ Henryk unterdrückte das aufkommende Zittern in seiner Stimme.
„Du bist ein Fälscher!“
„Ich habe im Auftrag gearbeitet. Ich habe nie behauptet, die Bilder wären Vermeers.“
„Ach bitte!“ Hohn klang aus Verhoevens Worten. „Hör dir doch selbst mal zu. Wer wollte seinen Anteil am Blumenmädchen? Wer hat Baeskens erzählt, es gäbe einen zweiten Vermeer? Mitgefangen, mitgehangen, mein Freund.“
Henryk musterte die Falten auf der Stirn des Galeristen, die kleinen harten Linien, die seine Wangen kerbten und ihm das Aussehen einer Bulldogge gaben.
„Ruf die Haushälterin an“, forderte Verhoeven. „Und sag ihr, das Päckchen war ein Irrtum. Du holst es morgen ab.“
Etwas in Henryk begann zu schmelzen.
Vielleicht hatte er wirklich einen Fehler begangen. Die Logik in Verhoevens Argumenten war nicht von der Hand zu weisen. Er konnte Marianne bitten, ihm das Gemälde zurückzugeben.
Aber was änderte das?
Vielleicht stimmte es, was Verhoeven sagte. Was, wenn Baeskens überreagierte? Wenn er Henryk des Betrugs beschuldigte, statt einzusehen, dass er sich in seiner Einschätzung geirrt hatte? Er hatte viel Geld für das Bild bezahlt.
Vielleicht behielt Verhoeven Recht.
Es war eine hässliche Vorstellung. Aber möglich. Absolut möglich.
Doch dann wurde ihm bewusst, was es wirklich bedeutete, wenn er seine Wahl widerrief. Es bedeutete, dass er schwach war. Dass er nicht zu seinen Entscheidungen stand. Dass sie nichts bedeuteten. Staub im Wind.
War es nicht gerade das, was er beweisen wollte, sich selbst und allen anderen? Dass sein Wort etwas wert war? Dass er mehr sein konnte als eine Maschine, die Farbe auf Leinwände auftrug? Voller Bedauern erkannte er, dass er nicht zurück konnte. Wenn er jetzt umkehrte, verlor er sich selbst. Deshalb schwieg er und lächelte.
„Ruf sie an.“ Ein Grollen schwang in der Stimme des Galeristen.
Er schüttelte den Kopf, drehte sich zurück zum Fenster und lehnte sich hinaus in die frostklare Nacht. Als er Verhoevens Finger auf seiner Schulter spürte, stieg Ärger in ihm auf.
„Du glaubst, hier geht es nur um dich?“ Verhoevens Atem brannte in seinem Nacken. „Ist dir klar, was da dranhängt? Du bist ein selbstsüchtiger kleiner Hochstapler, der glaubt, er müsste es der Welt beweisen. Was?“
Henryk versuchte zurückzuweichen, als Verhoevens Griff sich verhärtete. Es gelang ihm nicht. Seine Gelassenheit, die er vor einer Sekunde noch unerschütterlich geglaubt hatte, bekam Risse.
„Was?!“ Verhoeven schrie beinahe.
Der Aufprall, als der Galerist ihn rücklings gegen die Wand stieß, trieb die Luft aus Henryks Lungen. Sein Ellbogen schlug gegen den Fensterrahmen. Schmerz schoss hoch in seine Schulter und trieb ihm die Tränen in die Augen.
Seine Hände schlossen sich um Verhoevens Arm, in einem verzweifelten Versuch, sich zu befreien. Gleichzeitig riss er das Knie hoch. Die Bewegung war unkoordiniert, fand aber ihr Ziel. Der Galerist brüllte auf, als er ihn in den Unterleib traf. Er verlor das Gleichgewicht und taumelte nach vorn, ohne seinen Griff zu lösen.
Beide stürzten sie.
Henryk stieß mit dem Hinterkopf gegen den Tisch. Der Schlag sandte
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