Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
weil eine falsche Hausnummer auf dem Päckchen stand?
Mit einem Ruck löste er sich von der Wand, durchquerte das Atelier und zog den Riegel zurück.
Der Anblick seines Besuchers erschreckte ihn so sehr, dass er ein paar Schritte zurück in den Raum wich.
„Was ist los?“, fragte Verhoeven. „Stimmt was nicht?“
Henryk starrte ihn an.
„Ich habe versucht, dich anzurufen. Du wolltest mich erreichen, oder?“
„Was machst du hier?“
„Ich bin aus London zurück.“ Verhoeven ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Der Hall brach sich an den Wänden. „Es gibt was zu feiern.“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Dein Vermeer hat ein neues Heim gefunden.“ Er lachte. „Sie haben den Kaufvertrag unterschrieben.“
Die Kälte schien von unten zu kommen, ein feiner Schleier aus Eis. „Hast du gesehen, was Peter Baeskens geschrieben hat?“
Verhoeven schüttelte den Kopf. „Vergiss Peter. Wir sind reich, mein Freund.“
„Nein“, murmelte Henryk.
„Vergiss ihn, sage ich. Kunst ist eine Hure.“
„Nein.“ Die Wände drehten sich. Er wich tiefer in den Raum, bis er mit dem Rücken gegen die Staffelei stieß. Die ganze Zeit dachte er an den Kurier. Er stellte sich vor, wie das Päckchen neben ihm auf dem Sitz lag. Der Geruch nach Öl und Terpentin, wie es atmete. Die Signatur, nicht durchgetrocknet, verrieb sich vielleicht ein wenig am Packpapier. Es spielte keine Rolle.
Plötzlich war er froh, dass Baeskens nicht früher hier aufgetaucht war. Denn dann hätte er wahrscheinlich die Kraft nicht aufgebracht. Der Frieden in seinem Geist hielt an.
Peter würde verstehen. Das war es, was zählte. Er war seinem Willen gefolgt und hatte die Fesseln durchschlagen.
„Was hast du erwartet?“, fragte Verhoeven. „Dass er dir vor Dankbarkeit den Arsch küsst, weil du ihm seine Frau ausspannst? Das war nicht gerade ein kluger Schachzug.“
„Nein. Das meinte ich nicht.“
Verhoeven log, um ihn zu verletzen. Er betrachtete die massige Silhouette des anderen. „Peter hat es nicht verstanden. Die Bilder, meine ich. Aber ich habe das korrigiert. Ich habe ihm etwas geschickt.“
„Was hast du?“ Schärfe sprang in Verhoevens Stimme.
Heiterkeit breitete sich in Henryk aus und trieb die Kälte zurück. „Ich helfe ihm, zu verstehen. Wenn er zurückkehrt, wird er es wissen.“
Verhoeven trat auf ihn zu. Henryk versuchte, seinem Atem auszuweichen.
„Was hast du getan?“
„Du kannst es nicht mehr ändern.“ Erregung glühte in ihm auf.
Und dann kam Bewegung in die Schatten. Henryk ahnte die Hände mehr, als dass er sie sah. Sie griffen nach ihm, sie packten ihn hart. Er versuchte auszuweichen, trat rückwärts in die Staffelei. Holz krachte gegen die Wand, er stolperte.
„Was hast du getan?“, brüllte Verhoeven.
Doch er fürchtete sich nicht. Sein Knie stieß gegen den Tisch. Verhoevens Finger verloren den Halt.
„Er glaubt dir nicht“, keuchte der Galerist. „Er wird es dir nicht glauben.“
„Ich habe ihm einen Beweis gegeben.“
„Was hast du ihm geschickt?“ Verhoeven richtete sich auf. „Du wirst das rückgängig machen“, knurrte er. „Du fährst da hin und sagst, dass es ein Irrtum ist. Ein dummer Streich, du warst betrunken.“
„Nein“, sagte Henryk einfach. Es fühlte sich gut an, sein eigener Herr zu sein. So gut. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Und er bereute sie nicht.
„Die Tate Galery zahlt dreißig Millionen Pfund“, murmelte Verhoeven. „Ist es das wert? Ein bisschen verletzte Eitelkeit?“
Aber Verhoeven verstand das nicht. Verhoeven war ein grobschlächtiger Mann, mit Maßstäben, so plump wie er selbst.
Henryk wandte sich ab und betrachtete die Reflexion der Straßenlampen in den Fenstern auf der anderen Straßenseite.
„Wir könnten eine Scheiß-Galerie nur für deine Kollektion bauen. Mit einer ständigen Ausstellung. Wie klingt das?“
Henryk spürte die Bewegung in seinem Rücken.
„Schöne Säle mit großen Fenstern, eine feine Rezeption mit zwei hübschen Mädchen, und Cocktail-Empfänge am Wochenende? Die Leute werden es lieben. Du kannst den größten Mist verkaufen, wenn du ihn nur in Goldflitter verpackst. Kein Mensch zweifelt mehr an deiner Genialität, wenn sie deine Bilder an den weißen Wänden sehen. Na?“
„Vermeer hatte keine Galerie mit großen Fenstern.“
„Und was denkst du, wovon er gelebt hat? Von Auftragsarbeiten. Die alten Meister waren Handwerker. Der Bohéme, den die Muse küsst,
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