Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
Ähnlichkeit mit ihr frappierend war.
    Und hier hielt sie die Vorlage in den Händen. Sie blinzelte ein Brennen in den Augen fort. Sie würde nicht weinen. Nicht jetzt. Sie hatte so lange um ihn geweint, dass ihre Augen wund geworden waren und ihre Haut dünn. 
    Es waren schreckliche Tage gewesen, nach ihrer Rückkehr aus Venedig. Tage, die formlos ineinander flossen und sich anfühlten wie eine sternenlose, nie endende Nacht.
    Begonnen hatte es mit dem Päckchen, das an sie beide adressiert war, Peter und Helene Baeskens.
    Sie dachte an den Ausdruck in Peter Gesicht, als er das Gemälde angestarrt hatte und dann sie anschaute und nicht verstehen konnte, was vor ihm lag. Nicht verstehen wollte .
    Die Signaturen in der unteren rechten Bildecke.
    Henryks Namenszug, nachlässig aufgetragen auf den Schlussfirnis, überlagerte nur zur Hälfte die darunter liegenden Initialen.
    Der scheinbar endlose Moment, bis Peter die richtigen Schlüsse zog. Er lachte auf, ein hysterischer Ton. „Das bist du“, stieß er hervor. „Das bist du, auf dem zweiten Vermeer. Die Tate Gallery hat eine Fälschung gekauft!“
    Erst dann bemerkten sie den Umschlag, der mit Klebeband auf der Rückseite der Leinwand befestigt war. Ein Zeitungsartikel lag im Innern, ein Beitrag über die Anwältin und Kunstsammlerin Martha Haussen, die vor knapp einem Jahr bei einem Verkehrsunfall gestorben war.
    „Die Tochter von Joseph Baumann“, murmelte Peter. „Und Erbin der Baumann-Sammlung.“
    Helene starrte auf das Foto. Ein Falz durchbrach die Schwarzweißaufnahme, wo die Zeitung geknickt worden war. Taubheit kroch ihre Schläfen hinauf. Sie blickte in dieses Gesicht, das ihrem so sehr ähnelte. Das blonde Haar, die Topologie der Züge. Martha Haussen sah aus wie eine Ausgabe ihrer selbst in zehn Jahren. Eine schroffe, härtere Ausgabe.
    Zwei Teile einer Wahrheit schoben sich in ihrem Kopf zusammen und ergaben plötzlich ein Bild.
    „Warum schickt er uns das?“ Peter rieb sich mit den Fingern über die Stirn. Das leise Beben in seiner Stimme verriet, wie aufgewühlt er war.
    „Oh Gott“, wisperte Helene. „Siehst du es nicht?“
    „Sie sieht dir ähnlich.“
    „Das meine ich nicht.“
    „Das Blumenmädchen.“ Plötzlich war ihr Geist ganz klar.
    Und Peter verstand. Er verstand.
    Sie las es in seinen Augen.
    Das war, bevor es an der Tür geklingelt hatte und eine aufgeregte Marianne aufgetaucht war, um ihnen zu sagen, dass zwei Polizisten sie sprechen wollten.
    Die Männer überbrachten die Nachricht von Henryks Tod. 
     
     
    Man hatte ihn in seinem Atelier gefunden, mit gebrochenem Genick und mehreren Kopfverletzungen, nachdem ein besorgter Nachbar Lärm gehört und die Polizei gerufen hatte.
    Helene legte die Serviette zurück auf den Tisch. Ihr Blick verharrte auf dem Wasserfleck, der sich unter dem Fenster gebildet hatte.
    In der Nacht nach Henryks Tod hatte es einen Sturm gegeben, der die weit offenen Fensterflügel beinahe aus den Angeln gerissen und Sturzbäche von Regen ins Innere getrieben hatte.
    Die Ermittler hatten Peters Visitenkarte im Atelier gefunden und versuchten nun, Licht in die Umstände des gewaltsamen Todes von Henryk Grigore zu bringen.
    Helene, wie paralysiert von der Entdeckung der Fälschungen, verfolgte Peters Dialog mit den Ermittlern. Sie sagte kaum ein Wort. Peter erwähnte das Päckchen nicht. Später, als die Polizisten gegangen waren, stand er vor dem Blumenmädchen und betrachtete das Gemälde.
    „Es ist so wahrhaftig.“ Er drehte sich nicht um, als sie hinter ihn trat.
    „Henryk ist tot“, wisperte sie.
    „Er hat mich aufs Kreuz gelegt. Er hat mich tatsächlich aufs Kreuz gelegt.“
    „Macht es das Bild weniger schön?“
    Er wandte ihr den Kopf zu, die Augen schmal. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“
    Sie schüttelte den Kopf und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
    „Das ist eine verdammte Fälschung!“, schrie er.
    Sie erschrak. Sie kannte ihn gleichgültig, arrogant, doch nicht so fassungslos.
    „Er hat mir eine Fälschung verkauft! Ich muss Paul anrufen.“
    Der Name löste etwas in ihr aus. Etwas, das die ganze Zeit in ihrem Hinterkopf gärte. Sie erinnerte sich an Henryks Fragen. Wie hartnäckig er sie nach dem Autounfall bestürmt hatte, sich zu erinnern.
    „Warte“, murmelte sie.
    Sie lief zurück in Peters Büro, wo das kleine Gemälde auf dem Tisch lag und daneben der Zeitungsartikel über Martha Haussens Tod. Sie las ihn Zeile für Zeile, während sie einen Fuß

Weitere Kostenlose Bücher