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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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eine Schockwelle durch seinen Schädel. Seine Sicht verschwamm. Er schlug auf dem Boden auf und glaubte zu hören, wie Glas zersprang. Verhoevens Gewicht drückte ihn gegen die Steine. Seine Hand tastete durch Öl zwischen den Fugen.
    „Mitgefangen, mitgehangen.“ Verhoeven schnaufte. „Wenn ich untergehe, gehst du vor mir unter. Wir ziehen das zusammen durch. So oder so.“
    Henryks Finger stießen gegen etwas Festes, fuhren eine Kante entlang. Ein feiner Schmerz züngelte auf.
    Zerbrochenes Glas.
    Er packte fester zu. Langsam brachte er seinen Arm hoch. Er spürte Verhoevens Hand an seiner Kehle. Die Panik verlieh ihm zusätzliche Kräfte. Mit einem Keuchen rammte er das Glas in den Nacken des Galeristen.
    Verhoeven stieß einen Laut aus, halb Grunzen, halb ersticktes Keuchen. Er drehte sich halb und Henryk war frei. Eine klebrige Flüssigkeit lief seine Arme hinab. Öl oder Blut? Sein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Seine Lungen brannten.
    Verhoeven regte sich nicht. Henryk richtete sich auf die Knie auf und starrte hinab auf den Körper des Galeristen.
    Hatte er ihn etwa umgebracht?
    Ein Kichern löste sich aus seiner Kehle, ein kleiner, verzweifelter Laut. Er streckte einen Arm nach dem Tisch aus, um sich daran hochzuziehen. Wasser benetzte seine Hand. Ein Blütenstiel zerplatzte zwischen seinen Fingern. Die Beine wollten ihm kaum gehorchen. Doch endlich fand er Halt, schwankend, vornüber gebeugt.
    Einen Herzschlag später traf ihn ein heftiger Schlag in die Knie und brachte ihn wieder zu Fall.
    Doch nicht , dachte er im Moment seines Sturzes. Er hatte ihn doch nicht umgebracht. Erleichterung erfüllte ihn für einen Moment, dann prallte sein Kopf auf die Steine. Etwas grub sich ihm in die Schläfe. Schmerz flackerte auf und driftete fort. Er hörte auf zu denken. Die Schatten wogten dichter um ihn und hießen ihn willkommen. 
     
     
     
     

42
     
     
     
    Einige Wochen später.
     
    „Der Kunsthändler Paul Verhoeven, geboren 1952 in Vilvoorde, wurde in der Nacht zum fünfzehnten November bei einem Verkehrsunfall getötet. Auf der Autobahn A5 zwischen Oostende und Brüssel verlor Verhoeven in einer Baustellenauffahrt die Kontrolle über sein Fahrzeug. 
    Der Wagen fing aus ungeklärten Umständen Feuer und brannte vollkommen aus. Verhoeven starb in den Flammen.
    Paul Verhoeven wurde zuletzt bekannt durch die Entdeckung zweier bislang unbekannter Gemälde des holländischen Malers Vermeer van Delft, von denen sich eines nun im Besitz der renommierten Londoner Tate Gallery befindet.“
     
     
    Helene ließ die Zeitung sinken. In ihren Mundwinkeln fing sich ein kleines Lächeln.
    Sie fröstelte, als der Wind die Vorhänge bauschte. Dennoch brachte sie es nicht über sich, das Fenster zu schließen. In Henryks Atelier hing ein intensiver Geruch nach Chemikalien und Terpentin, der ihr Kopfschmerzen verursachte.
    Die Stille machte sie beklommen. Das alles gehörte jetzt ihr. Das Erbe des Henryk Grigore. Sie stand vom Sofa auf und wanderte durch den Raum. Unter ihren Schuhsohlen klebte getrocknetes Öl.
    Sie wusste nicht mehr, wie viele Male sie mit dem Nachlassverwalter telefoniert hatte. Dem Mann war es gelungen, eine alte Frau in einem Dorf in Rumänien ausfindig zu machen, die offenbar Henryks Mutter war. Die Dame hatte ihr Henryks Besitztümer für eine bescheidene Geldsumme überlassen. Sie wollte sich nicht auf die beschwerliche Reise in ein Land begeben, dessen Fremdheit sie einschüchterte und war froh, dass Helene ihr die Bürde abnahm, sich um den Hausrat ihres verstorbenen Sohnes zu kümmern.
    Helene blieb am Tisch stehen und blätterte durch die Stapel von Skizzen und Zeitungen. Eine umgestürzte Vase lag zwischen den Stapeln, und Papier klebte zusammen, wo das Wasser ausgelaufen war.
    Sie hatte auch Blumen dazwischen gefunden, bräunlich vertrocknete Stängel, die sie weggeworfen hatte.
    Dann entdeckte sie die Serviette. Sie lag auf einer Ecke des Tisches, als wäre sie sorgfältig dort drapiert worden. Helene hob sie hoch und drehte sie um. Ihre Kehle schnürte sich zu, als sie hinunter auf ihr Porträt starrte, diese harmlose kleine Skizze, mit ein paar Strichen hingeworfen. Der warme Wind kam ihr in den Sinn, der Duft von Kastanienblüten. Es war ein schöner Tag gewesen, ein wunderbarer, verrückter Traum.
    Und sie hatte einfach gar nichts verstanden.
    Nichts bis zu dem Moment, als Peter ihr das kleine Gemälde zeigte, dieses phantastische Porträt, dessen

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