Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
machen, noch einen weiteren Schritt in die Richtung, die er eingeschlagen hatte, als er entschieden hatte, nach Rotterdam zu fahren.
Er hakte mit einem Fuß unter den Mantel und stieß ihn ein kleines Stück weiter, bis neben das Sofa, wo er im Halbdunkel versank.
Dann schaltete er die Leuchte ein, den Lichtkreis, der zur Hälfte den Tisch schnitt und zur anderen Hälfte die Staffelei. Die Skizze lag genau auf der Schnittkante, genau zwischen Schatten und Licht.
„Ich habe das Geld überwiesen.“ Verhoeven umrundete den Holztisch und musterte die Entwürfe. „Wird es das? Mädchen mit Blumen im Haar?“
Henryk entfernte die Folie von der Leinwand, die der Galerist mitgebracht hatte. „Mädchen mit Kornblumen.“
„Deshalb der Blumenstrauß?“
Das Gemälde ähnelte dem, das sie als Untergrund für die erste Fälschung verwendet hatten. Wieder ein liturgisches Motiv, dieses Mal Christus am Kreuze.
„Wo treibst du dieses Zeug auf?“, fragte Henryk.
„Du würdest dich wundern, was man alles angeboten kriegt, wenn man nur fragt. Es gibt jede Menge Privatleute, die glauben, sie hätten einen Michelangelo im Nachlass ihrer Erbtante gefunden.“
„Was zahlt man für so ein Ding?“
„Ein paar tausend Euro.“
Henryk richtete sich auf. „Hat Peter Baeskens dich schon gefragt?“
„Aber sicher.“
„Und was hast du gesagt?“
„Dass es zu früh ist für irgendwelche Aussagen. Er wollte ein Vorkaufsrecht.“
In das Rauschen des Verkehrs hinter den Fenstern mischte sich Kirchenläuten. Die Glocken der Eglise du Gesu schlugen die Mittagsstunde.
„Ich suche mir eine Wohnung“, sagte Henryk unvermittelt.
„Guter Plan. Kannst es dir ja jetzt leisten.“ Verhoeven beugte sich leicht nach vorn, um eine Zigarette anzuzünden. „Ich habe mich sowieso gefragt, wie du es so lange in diesem Loch aushalten konntest.“
Schweigend beobachtete Henryk ihn, wie er einen tiefen Zug nahm und den Rauch durch die Nase ausblies. Der Mann war ihm unangenehm. Alles an Verhoeven stieß ihn ab. Die offensichtliche Skrupellosigkeit, mit der er Geschäfte machte, die Grobheit in seinen Worten und Gesten, selbst die Fassade der Leutseligkeit, die dann und wann durchschimmerte. Er traute dem Galeristen nicht. Verhoevens Wort war nichts wert. Er hatte die Vermeer-Fälschung verkauft, obwohl er das Gegenteil versprochen hatte. Er hatte Leichenfledderei begangen an Marthas Vermächtnis.
Dennoch war Henryk nun an Verhoeven gebunden, und der Galerist wusste es. Sie wussten es beide.
Es war wie ein Pakt mit dem Teufel.
22
Die Absätze der Maklerin hallten laut auf dem Boden.
„Das ist das originale Eichenparkett“, sagte sie, „wieder aufgearbeitet.“
Henryk blieb an einem der Fenster stehen und schloss die Augen. Sonne fiel schräg durch die Scheiben. Er genoss die Wärme auf seiner Haut. Tief atmete er den Duft nach Bienenwachs ein, nach frischer Farbe und Holzpolitur.
„Die Wohnung ist sehr ruhig.“ Holz knarrte, als sie einen Fensterflügel öffnete. „Hier haben Sie fast keinen Verkehr. Nur Anwohner.“
In den Baumkronen raschelte der Wind. Die Linden, die die Straße säumten, begannen gerade zu blühen. Jemand übte Klavier. Vier Takte, eine Pause. Dann wieder von vorn. Es klang wie eine Czerny-Etüde.
„Am Wochenende können Sie auf dem Balkon frühstücken. Möchten Sie die Grünpflanzen vom Vormieter übernehmen?“
Zwei große Palmen, Kästen voller Azaleen, ein Zitronenbaum und Clematis mit weißen und violetten Blüten, die über die Balkonwände rankte.
„Ich behalte sie.“ Er stieß sich vom Fenster ab.
Die Maklerin drückte die Doppeltür zum nächsten Zimmer auf. Die Türflügel waren aus dunklem Holz gearbeitet und mit Intarsien versehen. Glasscheiben zierten den oberen Bereich.
Er hörte ihr kaum zu. Stattdessen betrachtete er den Deckenspiegel, die Stuckleisten, die geschwungenen Eisengitter vor den Fenstern. Weich flutete das Licht durch die Räume. In den Sonnenstrahlen tanzte Staub.
„Wann kann ich die Wohnung haben?“, fragte er.
„Zum Ersten des Monats. Die Schlüssel kann ich Ihnen sogar gleich geben.“
Die Wand fühlte sich kühl an, als er seine Hand dagegen legte. Leise knarrte das Parkett unter seinen Füßen.
Ein reines, unverfälschtes Glücksgefühl breitete sich in ihm aus. Er fühlte sich wieder wie der kleine Junge am Abend der Weihnachtsbescherung. Der kleine Junge in seiner heilen Welt.
Die Wohnung lag im Quartier
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