Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
eine geistreiche Antwort. Er begann zu schwitzen.
„Henry van de Velde.“ Der erstbeste Name, der ihm einfiel.
„Van der Velde?“ Baeskens Blick blieb an seiner Frau haften. „Was glaubst du, Helene? Könnte unser Haus von Henry van der Velde entworfen worden sein?“
Sie legte den Kopf schräg. Eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Wieder dachte Henryk, wie offen sie sich gab. Ihr Gesicht spiegelte wider, was sie dachte, wie bei einem Kind. Keine Spur von Berechnung oder Fassade.
„Henry van der Velde? Das wäre ja fast zuviel der Ehre.“ Ein kleines Lachen. „Stell dir vor, wie der Vorbesitzer sich ärgern würde. Er hätte viel zu günstig verkauft.“
Dunkles Schiffsparkett knarrte unter ihren Schuhen, als sie einen lang gestreckten Raum betraten, den Baeskens als Galerie bezeichnete.
„Wir haben alle Zwischenwände herausgerissen“, sagte er. „Früher waren das mal Gästezimmer und Dienstbotenquartiere. Leider habe ich nicht genug Platz für die komplette Sammlung. Ich versuche Helene davon zu überzeugen, dass wir anbauen müssen, aber sie will nichts davon hören. Sie denkt, es würde das alte Haus verschandeln.“
Henryk lachte pflichtschuldig. Unbehagen befiel ihn, weil der Laut von den Wänden widerhallte.
„Die Bilder sind chronologisch geordnet.“ Direkt vor ihnen hingen zwei Blumenstillleben. Ein neuer Unterton schwang in Baeskens’ Stimme. Besitzerstolz. „Jan Brueghel der Ältere. Antwerpen, um 1600. Das zweite habe ich letztes Jahr auf einer Auktion gekauft, das war Glück. Es war in sehr schlechtem Zustand, geschwärzt und an mehreren Stellen beschädigt. Wir haben die Signatur erst bei der Restaurierung freigelegt.“
Es war der gleiche Tonfall wie in Rotterdam, als Baeskens von seinem Vermeer gesprochen hatte.
„Das war sicher aufwändig“, sagte Henryk, weil er sonst nichts zu erwidern wusste. Er widerstand dem Bedürfnis, mit dem Finger die Craquelure zu betasten.
„Was halten Sie von der Restaurierung?“
Nervös starrte Henryk auf das Gemälde. Er hatte den Eindruck, dass Baeskens eine ganz bestimmte Antwort erwartete. Wenn er etwas Falsches sagte, dann würde ihn das als Scharlatan entlarven.
Steif machte er einen Schritt nach vorn. Er glaubte die Stellen zu erkennen, an denen der Restaurator eingegriffen und mehr getan hatte, als nur den Firnis zu reinigen.
Mit der Hand deutete er auf eine Nelkenblüte am Rand des Bukets. „Hier ist etwas ergänzt worden, nicht wahr?“ Während er das sagte, fielen ihm weitere Korrekturen auf. Die frischeren Farben, die Art des Pinselstrichs. Plötzlich war es leicht. Der Rhythmus des Bildes berührte seinen Geist und enthüllte die Störungen wie Stromschnellen in einem Fluss.
„Und hier.“ Die Kornblume, die Blätter im Hintergrund. Ein Ornament auf der Vase. „Hier auch.“ Er drehte sich um. Vergeblich versuchte er, in Baeskens’ Gesicht zu lesen. „Aber alles in allem sehr gut gemacht.“
Baeskens’ Züge entspannten sich. Voller Überraschung erkannte Henryk, dass seine Einschätzung Gewicht für den Sammler hatte.
„Diese Stellen, man muss da wirklich wissen, wonach man sucht“, beeilte er sich hinzuzufügen. „Aber das ist normal. Sie können den Bruch nie vollständig kaschieren, wenn Sie nicht das gesamte Bild überarbeiten wollen.“
„Und Sie wissen, wonach man suchen muss?“
Henryk stand reglos unter dem sezierenden Blick. „Ich tue, was ich kann.“
„Kommen Sie.“ Baeskens fasste ihn leicht am Arm, eine vertrauliche Geste, die Henryk zuvor schon zwischen ihm und Helene bemerkt hatte. Die joviale Freundlichkeit fand zurück in seine Stimme. „Hier haben wir Willem van Aelst, einen Zeitgenossen Vermeer van Delfts.“ Sie passierten zwei weitere Gemälde. Blumen schienen in Baeskens’ Sammlung ein zentrales Motiv zu bilden.
„Und hier die Italiener. Margherita Caffi und Francesco Guardi. Ich sammle eigentlich deutsche und niederländische Meister, aber diese hier runden die Kollektion thematisch ab.“
„Blumen“, sagte Henryk, mehr zu sich selbst.
Baeskens lächelte. „Fragen Sie sich, warum ausgerechnet Blumen?“
„Es geht um Vergänglichkeit, nicht wahr?“ Die Worte fanden wie von selbst ihren Weg. Es war so offensichtlich. „Eine Blüte ist wie ein Wunder. Sie leuchtet und duftet. Und dann, nach ein paar Tagen, stirbt sie und lässt nur eine trockene Hülle zurück. Aber hier“, er deutete auf die Leinwand, „das ist die Essenz. Man hat sozusagen
Weitere Kostenlose Bücher