Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
dass Bosteels im Krankenhaus liegt?“, fragte er lauter als beabsichtigt. „Es gab einen Brand in seiner Werkstatt.“
„Habe ich gehört.“ Verhoeven wirkte nicht sonderlich betroffen. „Die alte Elektrik in den Bruchbuden. Das passiert immer mal wieder in der Gegend, dass sich jemand die Wohnung abfackelt.“
„Hast du mit ihm geredet? Wegen der Photos?“
„Ich habe alles geregelt.“
„War es schwierig?“
„Nicht schwierig. Mach dir keine Sorgen. Kümmere dich lieber darum, dass das Bild fertig wird.“
„Vier Wochen brauche ich noch.“
„Gut.“ Verhoeven machte eine Kopfbewegung zur zweiten Staffelei. „Was wird das da?“
Henryk spürte vertraute Scham aufsteigen, die er sofort unterdrückte. Er stand zu diesen Arbeiten, er war stolz darauf. Es gab keinen Grund, sie zu verbergen.
„Etwas Eigenes“, sagte er schlicht. „Eine neue Serie. Stellst du sie aus?“
Der Galerist wölbte die Lippen. Er betrachtete das Bild eine Zeitlang. Dann drehte er sich um zu den anderen, die an der Wand lehnten.
„Wann machst du die?“
„Nachts.“
„Nachts“, wiederholte Verhoeven. „Und ich hatte mich schon gefragt, warum du aussiehst wie ein wandelnder Zombie. Ich dachte, das kommt von der Bleikocherei.“
„Würdest du sie ausstellen?“
„Sie sind gar nicht schlecht.“ Der Galerist lächelte verkniffen. „Gar nicht schlecht. Wenn du nicht wieder so eine Vorstellung abgibst wie beim letzten Mal, können wir darüber reden.“
„Danke“, murmelte Henryk.
„Aber zuerst bringen wir den Vermeer-Deal über die Bühne. Sieh zu, dass du das Bild fertig kriegst. Baeskens ist ungeduldig und wird misstrauisch werden, wenn er nicht bald einen Blick darauf werfen kann.“
31
Die lang erhoffte Abkühlung kam in einer Nacht zum Wochenende, ein Gewitter mit sintflutartigem Regen, der erst zum Morgengrauen abebbte.
Henryk saß auf dem Fensterbrett und sah zu, wie seifiges Grau am Himmel heraufdämmerte. Aus den Regenrinnen ergossen sich Sturzbäche in die überquellenden Gullys. Er hatte die ganze Nacht gemalt, weil das Geräusch des Regens ihn beruhigte, und er die Gunst der Stunde nutzen wollte. Kopfschmerzen regten sich am Rande seines Bewusstseins, und sie würden schlimmer werden, wenn er nicht etwas dagegen tat. Er betrachtete die Tabletten in seiner Handfläche, Koffein und Paracetamol, und dachte an das, was Verhoeven gesagt hatte.
Es war ja nicht mehr für lange.
Mit einer raschen Bewegung warf er sie sich in den Mund und spülte sie mit Kaffee hinunter.
Peter Baeskens hatte die Verabredung zum Essen wegen einer Geschäftsreise verschoben. Henryk war fast erleichtert. Er fürchtete sich vor der Begegnung mit Helene, nachdem er sich zuletzt wie ein Idiot benommen hatte. Ihr Antlitz leuchtete vom Vermeer herunter, aber er fand nicht so viel Freude daran, wie er gehofft hatte. Es war ganz anders als in den Tagen, in denen er ihr kleines Porträt gemalt hatte.
Eine Windböe ließ ihn frösteln. Er beugte sich vor und legte die Arme um seine Knie. Der Geruch nach feuchten Blättern stieg ihm in die Nase.
Seine Zehen berührten das Handy. Jemand hatte früh am Morgen angerufen, aber er hatte nicht abgenommen, weil er die Nummer nicht kannte. Noch immer fürchtete er sich vor einem Anruf des Polizeibeamten wegen Bosteels.
Eine Nachricht blinkte auf dem Display. Er streckte die Hand aus und schrak zusammen, als es erneut klingelte, der gleiche Anrufer. Er zögerte, dann gab er sich einen Ruck, nahm ab und presste das Telefon ans Ohr.
„Hallo?“, fragte er.
„Isabel Voghel“, meldete sich eine Frau am anderen Ende. „Hôspital Erasme. Spreche ich mit Henryk Grigore?“
Er erschrak so sehr, dass er das Handy vom Ohr nahm und hinab auf die Knie sinken ließ.
„Hallo?“, knisterte es im Hörer. „Hallo, sind Sie noch da?“
Der Polizist hatte es getan, dachte er. Den Ärzten seine Nummer gegeben, und jetzt riefen sie ihn an, um ihm etwas Schreckliches mitzuteilen. Dass es Bosteels schlecht ging, dass er vorbeikommen sollte?
„Hallo?“
Er starrte das Telefon an.
Dann, wie mechanisch, legte er es wieder an seine Wange.
„Ja?“, sagte er.
„Frau Baeskens hat uns gebeten, Sie zu benachrichtigen.“
„Helene?“ Er war so verblüfft, dass er zuerst glaubte, sich verhört zu haben. „Worum geht es denn?“
„Sie hatte einen Unfall.“
Er schnappte nach Atem.
„Hören Sie, sie ist stabil. Wir haben sie jetzt ruhig gestellt.“
„Darf ich
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