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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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hatte er Erfolg. Ein Rauschen überlagerte Baeskens’ Stimme. Es klang, als sei er im Auto unterwegs.
    „Sind Sie schon wieder im Lande?“ Henryk kam sich vor wie ein Heuchler.
    „Seit gestern Abend.“ Baeskens klang aufgeräumt. „Wie geht’s Ihnen?“
    „Gut.“ Henryk zögerte. „Wegen Bosteels ...“
    „Wer?“
    „Jan Bosteels, dieser Hochstapler.“
    „Ach so“, Baeskens lachte, „den hatte ich schon wieder vergessen. Was ist mit ihm?“
    „Hat er sich noch mal bei Ihnen gemeldet?“
    „Nicht, dass ich wüsste. Aber ich war ja auch nicht in Brüssel. Haben Sie was herausgefunden?“
    „Nein“, log Henryk.
    „Wie geht’s meinem zweiten Vermeer?“
    Henryks Blick blieb am fehlenden Gesicht der jungen Frau hängen. „Ich komme gut voran.“
    „Das sagen Sie jedes Mal, wenn ich frage.“ Ein gutmütiges Lachen. „Haben Sie Lust, nächste Woche zum Essen zu kommen? Helene würde sich bestimmt freuen.“
    „Gern.“
    In der Leitung war ein Klicken zu hören, dann Stimmen im Hintergrund. „Lassen Sie uns in ein paar Tagen noch mal telefonieren, ja?“
    Er verabschiedete sich, rasch und unprätentiös wie immer. Peter Baeskens war kein geduldiger Mann. Henryk fragte sich, ob Jan Bosteels ahnte, wie wenig er Menschen wie Baeskens bedeutete. Menschen, die ihn sofort wieder vergaßen, wenn er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
     
     
     
    Er fühlte keine Erleichterung nach dem Telefonat. Bosteels hatte nicht wieder versucht, Baeskens zu kontaktieren, aber das bedeutete nichts. Henryk hatte den Zettel mit der Telefonnummer der Clinique St. Jean an die Staffelei geheftet. Darunter klebte noch immer die Serviette mit Helenes Gesicht. Sein Magen zog sich schmerzlich zusammen. Helene hatte ihrem Mann nichts von ihrem kurzen Besuch in der Avenue Paul Dejaer erzählt. Er fragte sich, ob er sie mit seiner abweisenden Reaktion verletzt hatte.
    Sein Blick wanderte von der Serviette hoch zum hellen Fleck auf der Leinwand. Wenn er ihren Kopf ein wenig drehte, etwas weiter nach rechts …?
    Er verwarf den Gedanken. Das konnte er nicht tun. Es wäre Betrug, ein Verrat an Martha und dem, was sie miteinander geteilt hatten. Erschöpft setzte er sich ans Fenster, zog die Knie an den Körper und bettete sein Kinn darauf. Eine Zeitlang betrachtete er die Dachsteine des gegenüberliegenden Hauses, die rot und schwarz in der Hitze flimmerten.
    War es wirklich so schlimm, wenn er sie malte? Nur für sich wollte er sie dort hineinmalen, und nur für kurze Zeit. Er sehnte sich so sehr danach, dass er die Empfindung körperlich zu spüren glaubte. Später konnte er Teile ihres Gesichts übermalen, ihre Züge subtil verändern, die Ähnlichkeit zunichte machen. Später, wenn er mit dem Bild fertig war.
    Doch solange er daran arbeitete, würde sie bei ihm sein. Die Vorstellung milderte den Geschmack des Verrats zu einem zarten kleinen Brennen.
     
     
     
    Er war froh, dass Verhoeven nichts sagte, als er ihn ein paar Tage später im Atelier besuchte. Lange betrachtete der Galerist den Vermeer, studierte aus allen Winkeln die kleinen Details. Doch er sagte nichts wegen dem Gesicht des Mädchens. Am Ende war sich Henryk nicht sicher, ob es Verhoeven überhaupt aufgefallen war.
    Dabei war die Ähnlichkeit zu Helene unverkennbar. Sie war viel stärker als bei Marthas Abbild im Blumenmädchen . Doch Verhoeven schwieg und lächelte nur, als er sich zu Henryk umdrehte.
    „Phantastisch“, sagte er. „Absolut phantastisch. Wenn das möglich wäre, würde ich sagen, du übertriffst sogar noch den Meister.“
    „Es dauert nicht mehr lange, bis es fertig ist.“ Henryk hatte Verhoeven zuerst erzählen wollen, dass er vorhatte, das Gesicht noch zu ändern, aber nun, da der Galerist es offensichtlich nicht bemerkte oder es ihm gleichgültig war, schwieg er darüber. „Den Firnis noch, dann müssen die Farben aushärten.“
    „Wir brauchen eine Arbeitsdokumentation.“
    „Was meinen Sie?“
    „Na wie das Bild vorher aussah. Vor der Restaurierung.“
    „Wie soll das gehen?“
    Verhoeven zuckte mit den Schultern. „Genauso wie beim anderen Vermeer. Wir verschmutzen es und dann restaurieren wir es wieder.“
    „Ist das das, was auf Bosteels’ Photos zu sehen war?“ Er hatte noch immer nicht im Krankenhaus angerufen. Obwohl er es tun wollte. Er fühlte sich diesem gebrechlichen kleinen Mann näher, als er sich eingestehen wollte.
    „Hat Baeskens noch mal was zu dir gesagt?“
    Henryk schüttelte den Kopf. „Wusstest du,

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