Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
von sich geben konnte, ehe Sam im Rücken des wankenden Manns auftauchte und diesen aufs Deck hinausstieß, wo er neben mich fiel und zuckend liegenblieb, noch immer an dem Haken ziehend. Es wäre ja alles prima gewesen, nur dass Sam die Hände erhoben hielt und beide leer waren.
Howlingfell schwenkte nun die Pistole von mir auf Sam. Mich mochten Eligors Männer ja lebend wollen, aber für meinen Freund galt das mit Sicherheit nicht, also tat ich das Einzige, was ich auf Händen und Knien tun konnte – ich donnerte meinen dicken, dummen Kopf Howlingfell voll in den Bauch. Er fiel rückwärts gegen die Reling, und seine Hand mit der Pistole wurde nach oben weggerissen, als er abdrückte, so nah an meinem Kopf, dass ich dachte, er hätte ihn mir weggepustet, aber der Schuss war ins Leere gegangen. Sam stieg über den sterbenden Mann mit dem Gaffhaken hinweg und versetzte Howlingfell, da er für etwas anderes nicht nah genug an ihn herankam, einen mächtigen Stoß vor die Brust, der ihn über die Reling ins marschige Wasser kippen ließ.
Dann zog Sam mich auf die Beine. Ich entdeckte meine Pistole und schnappte sie mir, während mein Freund bereits über die Reling kletterte und ins dunkle Wasser sprang. Howlingfell hörte ich irgendwo in der Nähe platschen, konnte ihn aber nicht sehen. Einmal feuerte ich in Richtung der Geräusche und dann, wo ich schon dabei war, noch auf eine der nächststehenden Gestalten auf dem hellerleuchteten Boot, die prompt auf die Decksplanken sackte.
»Sagt dem Chef, wir brauchen Verstärkung!«, hörte ich Howlingfell, brackiges Wasser und Schilfgras spuckend, schreien, dann folgte ich Sam über die Reling. Wie viel Schuss hatte ich noch? Zwei oder drei vermutlich, und das war’s dann auch:Meine Taschen waren allem Anschein nach leer, die losen Patronen jetzt nur noch teure, glänzende Kieselchen, die in den Schlick hinabsanken oder auf dem Deck des geschrotteten Kabinenkreuzers herumkullerten. Ich hoffte, dass wenigstens einer von Howlingfells Leuten auf eine treten, ausrutschen und sich das Genick brechen würde.
Das Wasser war kalt und schlammig und ekelhaft, aber in diesem Moment unerwarteter Freiheit fühlte es sich wie das erlesenste Wellness-Bad an, als wir zum Ufer und dem dichten Schilf schwammen, wateten und platschten. Ich hörte die Stimmen hinter uns den Klang von Panik und Wut annehmen, als die Männer merkten, dass ihr Anführer im Wasser gelandet und die Beute entronnen war, aber wir waren schon außerhalb ihres Scheinwerferlichts. Der Grund war fürchterlich glitschig und voller Fußangeln aus Wurzelwerk, aber wir schnellten und zogen und hangelten uns durch das dichte Schilf, als ob wir immer noch schwimmen würden. Ein paar Kugeln pfiffen an uns vorbei, und mir ging auf, dass wir durch die Bewegungen des Schilfs leicht zu orten waren, also packte ich Sam am Kragen und flüsterte ihm zu, dass wir langsamer machen mussten. Noch ein paar Schüsse krachten durchs Dunkel, aber keins der Geschosse kam uns nah genug, um mich nervös zu machen. Wir duckten uns so tief, dass nur noch unsere Köpfe über Wasser waren, und arbeiteten uns weiter voran.
Nach einer knappen halben Stunde verließen wir endlich das Schilf und sanken erschöpft auf eine kahle, matschige Erhebung. Der Mond blickte in seiner üblichen erhabenen Gleichgültigkeit herab, während wir Wasser und weiß der Höchste was sonst noch für Dreckszeug aushusteten und -spuckten und dann mehrere Minuten lang einfach nur versuchten, wieder Luft in die Lungen zu kriegen. Schließlich setzte ich mich auf und machte eine kurze Bestandsaufnahme. Nasse Schuhe, nasse Hose, nasse Jacke. Eine Pistole mit drei Patronen im Magazin und noch dreiweitere, die doch in meiner Tasche geblieben waren. Meine Finger waren glitschig – das Nachladen dauerte. Jetzt hatte ich ein halbes Dutzend Fünfzehn-Dollar-Silberkugeln in meiner Pistole (es wäre billiger gewesen, mit vollen Chivas-Regal-Flaschen nach dem Gegner zu werfen), keine sonstigen Waffen und kein Handy – es war mir ebenfalls aus der Tasche gefallen. Ich fragte Sam: »Hast du dein Handy noch?«
Er spuckte. Die Spucke schaffte es nur bis auf sein Kinn. Er rieb sie schließlich mit seinem schlammgetränkten Ärmel weg, worauf er aussah wie ein Otter in Kriegsbemalung. »Nein. Das Scheißding ist mir irgendwo an der Umzugsroute rausgefallen. Meine Pistole auch. Hast du noch dieses windige Plastikding von Orban?«
Ich zeigte ihm die Five-Seven.
»Na ja, immerhin
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