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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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südlich von Sand Point, und dort waren Straßenlaternen nicht gerade oberste Priorität, denn wozu brauchen Wasserläufer und Sichelstrandläufer schon Straßenlaternen? Im Dunkel aber lauerten nicht wenige alte Anlegestege und sogar halb im Schlick versunkene kaputte Boote, die in alles, was kleiner war als ein Tanker, ordentliche Löcher reißen konnten.
    Ich stieg die Kabinentreppe wieder hinauf, um mich draußen hinzusetzen und an der sauberen, frischen Bay-Luft darüber nachzudenken, was wir jetzt tun sollten. Dafür blieben mir etwa neunzehn Sekunden – die ich auf wüste Phantasien des Inhalts vergeudete, dass ich im Alleingang einem der höchsten Höllenfürsten den Kopf abriss –, ehe etwas an mir vorbeipfiff, in die Bordwand schlug und mich mit Mahagonisplittern beregnete. Der Knall der Waffe folgte erst Sekundenbruchteile später.
    »Sam! Diese Arschlöcher sind immer noch hinter uns her!« Ich robbte an die Bordwand und hob dann vorsichtig den Kopf. Sie waren mindestens zweihundert Meter hinter uns, aber ihr Boot schien breiter und schneller als unseres, und mit seinem vollen Satz Lichtern funkelte es wie ein Sternbild. »Und sie haben ein besseres Boot als wir!« Ich verfluchte mich dafür, mich zu früh in Sicherheit gewiegt zu haben: Es hätte mir klar sein müssen, dass Eligor noch mehr Boote zur Verfügung haben würde. Ich legte die Five-Seven auf der Reling auf und drückteab, nur um sie wissen zu lassen, dass es zu all dem Licht, das sie spazieren führten, auch eine dunkle Kehrseite gab, aber ich traf nicht. Ich war jetzt bei etwa sechs Schuss im Magazin plus den losen Patronen in meiner Tasche, wobei ich nicht wusste, wie viele inzwischen herausgefallen waren. »Sam! Tu was, verdammt!«
    »Meinst du wirklich, ich könnte was Sinnvolleres tun, als Vollgas zu geben und möglichst nicht in irgendwas reinzuschippern?«
    »Schon kapiert.« Ich kroch zentimeterweise zur Heckreling: Mir war gar nicht danach, mir den Kopf wegpusten zu lassen. »Kabinenkreuzer haben nicht zufällig Torpedos oder so was?«, rief ich.
    »Oh, gut, dass du mich dran erinnerst. Da ist eine Polarisrakete gleich unterm Kühlkasten.«
    »Du musst nicht gleich sarkastisch werden, nur weil ich keine Ahnung von Booten habe.« Einige weitere Kugeln oder jedenfalls ihre heulenden Geister sausten an uns vorbei. Ich riskierte einen kurzen Blick. »Sie holen auf.«
    »Scheiße.« Sam schwieg so lange, dass es mir Angst machte, und sagte dann: »Kopf runter. Es gibt eine Stelle in der Nähe, wo ich anlanden kann, aber es wird wahrscheinlich unsanft.«
    »Was heißt das?«
    »Frag nicht.«
    Ich riskierte noch einen Blick über die Heckreling und feuerte wieder mitten in das Sternbild von Lichtern. Ihr Boot war höher als unseres und ich konnte niemanden darauf sehen, also zielte ich auf die Kabinenfenster, traf aber anscheinend wieder nicht. Versuchen Sie mal, von einem hüpfenden Boot aus mit einer Pistole auf zweihundert Meter ein anderes hüpfendes Boot zu treffen, dann dürfen Sie meckern.
    Der Motor unseres Kabinenkreuzers jaulte wie ein Holzschredder, in dem ein Baumstumpf feststeckt, und allmählichfragte ich mich, ob wir es je an Land schaffen würden. Wir machten eine scharfe, das gesamte Deck überschwemmende Kurve auf das Ufer zu und folgten in wildem Slalom einer Wasserrinne zwischen hohem Schilf, das uns für den Moment Sichtschutz bot. Ich kroch zur Kabinentreppe. »Sie können uns nicht sehen.«
    »Bleib verdammt noch mal unten«, empfahl mir mein Freund. »Du bist zwar nicht die amüsanteste Gesellschaft, aber ich will dich trotzdem nicht verlieren.« Wie um das Gegenteil zu beweisen, kurbelte er plötzlich das Steuer nach links, sodass ich gegen die Kabinenwand krachte. »Alte Anlegestelle«, rief er, als ich meinen zerschundenen Körper wieder aufsammelte. »Und jetzt sei still.«
    Ich wollte ihn darauf hinweisen, dass die meiste Zeit über er geredet hatte, war aber zu beschäftigt damit, mich mit den Fingernägeln auf dem glitschigen Deck festzukrallen – versuchen Sie’s bei Gelegenheit mal, macht Spaß! Gleich darauf sah ich einen Suchscheinwerferstrahl fast schon neben uns übers Schilf schwenken. Eligors Männer waren viel dichter an uns dran. Der enge, flache Marschpriel schien sie nicht beträchtlich aufzuhalten.
    Tatsächlich hielt er sie so wenig auf, dass im nächsten Moment das Licht genau auf uns traf und die Kabine aussah wie eine beleuchtete Weihnachtskrippe auf einem Marktplatz, da krachten wieder

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