Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
mussten ihre Päckchen am Tresen abgeben, wahrscheinlich zum Röntgen. Jedenfalls waren die Sicherheitsmaßnahmen ganz schön streng. Ich lungerte ein Weilchen herum, als ob ich auf jemanden wartete, sah ab und zu auf die Uhr, spazierte zwischendurch in den Kiosk, wo es Kaugummi und Zigaretten gab, und checkte auch den aus.
Nummer Fünf schien im Großen und Ganzen ein normales Bürohochhaus zu sein, auch wenn die Beschäftigten etwas reservierter wirkten als in anderen großen Firmen – eher die Sorte Atmosphäre, die man in einer Botschaft in einer nicht gerade amerikafreundlichen Stadt erwarten würde. Aber wie gesagt, ich war ziemlich aufgedreht, also sagte ich mir, ich bildete mir das wahrscheinlich nur ein. Doch dann passierte etwas, das ich mir definitiv nicht einbildete: Eine Gruppe ziviler Sicherheitsleute, erkennbar an identischen Sonnenbrillen, Knopf im Ohr und Beulen im Jackett, kam aus einem der Aufzüge. Die Wachleute am vorderen Tresen grüßten respektvoll, als die Männer zum Hauptausgang gingen – offensichtlich arbeiteten sie hier. Die zivilen Sicherheitsleute schienen die übliche Kollektion von humorlosen Muskelpaketen, aber ihr Anführer kam mir irgendwie bekannt vor – diese durchgehenden Augenbrauen, das dichte, kurz geschorene Haar. Als er seine Männer hinausführte, blickte er in meine Richtung, ohne mich zu sehen, und plötzlich wusste ich es trotz seiner Menschenhaut – sein Gesicht war einfach zu tierhaft, um hundertprozentig menschlich zu wirken, der Haaransatz zu tief, die Nasenwurzel zu breit. Es war Howlingfell, der Kerl, der an dem Abend, als Clarence diese Mrs. Martino vor der
Hölle bewahrt hatte, Grasswax’ Leibwächter gespielt hatte. Der Typ, auf dessen Hals ich mehr oder weniger gekniet hatte.
Ich sah ihm nach und befand, dass das nun wirklich kein Zufall
mehr sein konnte. Ich musste eindeutig mehr über Vald Credit in Erfahrung bringen, und die beste Möglichkeit dazu war wohl ein kleiner Besuch in der Chefetage, solange Howlingfell und sein Sicherheitsteam außer Haus waren. Mir war schon klar, dass es nicht das subtilste Vorgehen war, aber wie ich ja wohl schon sagte, neige ich nun mal unter Stress dazu, in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Ich wollte Antworten, und wenn ich die nicht bekam, wollte ich die Leute wissen lassen, dass ich stinkig war.
Ich befand, dass die beste Option wohl der kleine Sicherheitstresen am Hinterausgang war, wo nur zwei Wachleute Dienst taten. Ich stand noch ein Weilchen herum, bis einer der beiden aufs Klo gegangen war, und marschierte dann auf den anderen zu, als er gerade sein Strichcode-Lesegerät über jemandes Sichtausweis geführt hatte.
»Entschuldigung«, sagte ich, »aber ich glaube, Sie sollten mal nach dem einen Lift schauen. Da stimmt was nicht. Nicht dass
noch jemandem was passiert.«
Er zögerte kurz, sah sich um, ob sein Partner zurückkam, grunzte dann aber missmutig und stand auf. Er sah aus, als ob er vor zehn Jahren mal Sportler gewesen wäre, seither aber zu viel gesessen hätte.
»Welcher Lift?«, fragte er, als er mir zu der Fahrstuhlreihe im hinteren Teil der Lobby folgte, die Hand in beeindruckender Manier auf seinem Taser.
»Der hier«, sagte ich und drückte einen Knopf.
Der Lift ging auf, und er schaute hinein. Die Kabine war leer. »Was ist damit?«, fragte er.
»Damit ist«, sagte ich und drückte ihm den Lauf meines .38ers in den Rücken, »dass gleich Ihre Eingeweide drin verteilt sein werden, wenn Sie nicht sofort einsteigen.«
Er gab wieder einen Grunzlaut von sich, diesmal vor Schreck. Ich stieß ihn vorwärts. Als die Lifttür hinter uns zuging, sagte er: »Was zum Teufel soll …?«
Ich schlug ihm den Griff meines Revolvers seitlich an den Hinterkopf. Der Revolvergriff war mit Gummi belegt, deshalb schlug ich ziemlich kräftig zu, und er sackte ohne ein weiteres Wort zu Boden. Aber ich hatte schon drauf geachtet, ihm keinen bleibenden Schaden zuzufügen, für den Fall, dass er ein unschuldiger Trottel war und kein akkreditierter Höllenbüttel, wobei allerdings viel für Letzteres sprach, wenn dieser Ort hier so wichtig war, wie ich allmählich vermutete. Ich steckte seine Chipkarte in den Leseschlitz des Lifts, drückte den Knopf für den vierzigsten Stock, und die Fahrt begann. Dann schaute ich auf sein Namensschild, nahm das Walkie-Talkie von seinem Gürtel und drückte die Sprechtaste.
»Hier ist Daley in der Lobby«, erklärte ich, wobei ich versuchte, wie ein aufgeregter
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