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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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der aus dem dunkelgrauen Himmel herunterprasselte, konnte auch nicht verhindern, dass ihm der Schweiß in Strömen über den Rücken und in die Boxershorts lief. Aber er würde den Teufel tun und den verdammten Gummi-Strampelanzug ausziehen.
    Ächzend hob er die Schaufel auf Schulterhöhe und kippte die nächste Ladung verwesender Kadaver in den riesigen Müllcontainer. Alles stank nach Tod. Sogar durch die Atemschutzmaske hindurch konnte er es riechen. Verwesendes Fleisch. Und Erbrochenes. Gestern hatte er sein Frühstück und sein Mittagessen wieder von sich gegeben. Aber nicht heute. Heute würden seine Frühstücksflocken genau dort bleiben, wo sie hingehörten.
    Gestern den ganzen verdammten Tag und heute den ganzen verdammten Tag. Und wie es aussah, auch noch morgen den ganzen verdammten Tag. Tote Tiere wegschaufeln.
    Der versiffte Dreckskerl, dem der Hof hier gehörte, stand im Eingang der Scheune, die sie gestern geräumt hatten. Auch er schien den Schneeregen gar nicht zu registrieren; er stand bloß da in seinem zerlumpten Pulli und sah mit langem Gesicht zu, wie seine perverse Sammlung weggeschafft wurde.
    Matthew hatte am Morgen einen Blick in die Zeitung seines Vaters geworfen. In Garthdee hatten irgendwelche Eltern den Typen windelweich geprügelt, weil er sich vor der Schule ihrer Kinder herumgetrieben hatte. Das Gesicht des Mannes war ein Mosaik aus blauen und grünen Flecken. Geschieht dir verdammt recht, dachte Matthew, während er durch den Schneematsch stapfte, um die nächste Schaufel voll verrotteter Tierleichen zu holen.
    Sie hatten den Berg in diesem Gebäude schon fast zur Hälfte abgetragen. Anderthalb geschafft, noch anderthalb übrig. Und danach eine lange heiße Dusche, rasch die Dauerkarte gekauft, und dann würde er sich betrinken bis zum Abwinken. Er würde sich dermaßen die Kante geben, wenn das hier endlich vorbei war!
    Unter derlei erbaulichen Gedanken stieß Matthew seine Schaufel ein weiteres Mal in den Berg aus fauligem Fleisch und Fell. Der Haufen kam ins Rutschen, und kleine Lawinen gingen ab, während er darin herumstocherte. Katzen und Hunde und Möwen und Krähen und weiß der Geier was sonst noch. Mit zusammengebissenen Zähnen hob er die Ladung toter Viecher auf seine Schaufel. Und dann sah er es.
    Matthew riss den Mund auf, um etwas zu sagen – um den nervösen Typen von der Stadt zu rufen, der die ganze Aktion managen sollte, und ihm zu sagen, was er gefunden hatte. Aber heraus kam nur ein schriller Schrei.
    Er ließ die Schaufel voll totem Fleisch fallen und rannte rutschend und schlitternd nach draußen, fiel auf die Knie, riss sich die Atemmaske vom Gesicht und spuckte seine Frühstücksflocken in den Schneematsch.
    Logan parkte am Straßenrand gegenüber dem Turf ’n Track und beobachtete das Wettbüro durch den Schneeregen und einen Feldstecher. Das Wetter war grauenhaft. Nachdem das zarte Schneegeriesel, das er am Morgen durchs Fenster gesehen hatte, vorübergehend nachgelassen hatte, war plötzlich dieses Zeug vom Himmel gekommen. Dicke Graupelklumpen, die vom schmutzig grauen Himmel klatschten, kalt und nass und tückisch. Und es wurde schon wieder dunkel.
    Er hatte in jedem Gesundheitsamt im ganzen Land angerufen und nach allen kleinen Mädchen gefragt, die in den letzten vier Jahren wegen Tb in Behandlung gewesen waren. Wie DI Insch war auch er optimistisch – wenn doch die Ermittlungsarbeit nur immer so einfach wäre. Sie hatte irgendwann Tb gehabt und war geheilt worden. Was bedeutete, dass sie irgendwo behandelt worden sein musste. Sie musste irgendwo in den Akten registriert sein. Und so würde Logan an einen Namen kommen.
    Aus dem Radio ertönten die letzten Takte des neuesten Hitparaden-Gedudels, und dann sagte der Moderator die Mittagsnachrichten an. Logan steckte sich ein extrastarkes Pfefferminzbonbon in den Mund und drehte die Lautstärke ein wenig auf.
    »Der Prozess gegen Gerald Cleaver wurde heute mit den Abschlussplädoyers fortgesetzt. Dem Sechsundfünfzigjährigen aus Birmingham wird vorgeworfen, während seiner Tätigkeit als Krankenpfleger am Aberdeen Children’s Hospital Kinder sexuell missbraucht zu haben. Die Geschworenen, die in dem fast dreiwöchigen Verfahren Zeugenaussagen mit vielfach drastischen und aufwühlenden Details gehört haben, werden sich dem Vernehmen nach morgen am späten Abend zur Beratung zurückziehen. Die Polizei hat die Sicherheitsmaßnahmen nach mehreren Morddrohungen gegen Cleaver verstärkt. Cleavers Anwalt,

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