Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Mr. Moir-Farquharson, der während des Prozesses selbst Morddrohungen erhalten hat, wurde vor zwei Tagen Opfer einer Attacke, bei der er mit einem Eimer Schweineblut übergossen wurde.«
Auf dem Fahrersitz des rostigen Zivilwagens stieß Logan einen kleinen Jubelschrei aus und startete eine Ein-Mann-La-Ola-Welle.
»Ich lasse mich von einer verschwindend geringen, irregeleiteten Minderheit nicht einschüchtern.« Die neue Stimme gehörte Sandy der Schlange. »Wir müssen sicherstellen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird …«
Logan übertönte den Rest der Stellungnahme mit lautem Buhen und Pfeifen.
Auf der anderen Straßenseite bewegte sich etwas. Er setzte sich kerzengerade auf und spähte durch seinen Feldstecher. Die Eingangstür des Wettbüros wurde geöffnet, und Desperate Doug steckte den Kopf heraus, warf einen kurzen Blick auf das Wetter und zog den Kopf wieder ein. Eine halbe Minute später wurde Winchester, der große Schäferhund, der gestern so wild auf einen Fetzen von Logans Fleisch gewesen war, kurzerhand mit einem Fußtritt in den Schneematsch hinausbefördert. Der Hund versuchte, gleich wieder hineinzuschlüpfen, bekam Dougies Gehstock zu spüren und stand schließlich bedripst vor der verschlossenen Tür. Nachdem er eine Minute lang regungslos ausgeharrt und die Tür des Wettbüros angestarrt hatte, während der Schneeregen sein ergrautes Fell durchtränkte, trabte er die Betonstufen hinunter auf den Parkplatz. Dort lief er ein paar Mal im Kreis, schnupperte an den Laternenpfählen und dem Eisengeländer und setzte ein paar Duftmarken. Endlich zog er das Hinterteil ein und pflanzte sorgfältig einen gewaltigen Haufen genau in die Mitte des Parkplatzes.
Nachdem er sein Geschäft erledigt hatte, machte er kehrt und kläffte die Tür des Turf ’n Track an, bis Desperate Doug sich dazu bequemte, ihn wieder hereinzulassen. Der Schäferhund machte zwei Schritte in den Laden hinein, blieb stehen, schüttelte sich und bespritzte sein Herrchen von Kopf bis Fuß mit Wasser und Schneematsch.
Plötzlich fand Logan den Hund schon ein ganzes Stück sympathischer. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und ließ sich von der Musik aus dem Radio einlullen.
Ein rostiggrüner Kombi huschte an seinem Fenster vorbei, bog nach rechts zu der kleinen Ladenzeile ab und blieb schlitternd auf dem frisch eingekoteten Parkplatz stehen. Es war derselbe Wagen, der zur Zielscheibe von Constable Watsons Schimpfkanonade geworden war. Logan seufzte. Jetzt war sie für ihn schon wieder Constable Watson. Nicht mehr Jackie mit den entzückenden Beinen. Und das alles nur, weil er sie wegen ihrer Verbalattacke gegen den Fahrer dieser blöden Rostlaube hatte zurechtweisen müssen.
Der Fahrer des Kombis kramte eine Weile auf dem Rücksitz herum und sprang dann mit einer Plastiktüte in der Hand aus dem Wagen, wobei er fast im Schneematsch ausgerutscht und auf dem Hintern gelandet wäre. Er hatte den Jackenkragen hochgeschlagen und hielt sich eine Zeitung über den kahl geschorenen Kopf, um sich notdürftig vor dem Schneeregen zu schützen. Mit unsicheren Schritten tappte er die Rollstuhlrampe zum Eingang des Wettbüros hinauf.
Logan runzelte die Stirn und nahm den Neuankömmling mit dem Feldstecher ins Visier, als dieser die Ladentür aufstieß und eintrat. Die Ohren des Mannes waren mit Piercings verziert, und er hatte diesen unverwechselbaren gehetzten Blick: Es war Duncan Nicholson. Eben jener Duncan Nicholson, der rein zufällig über die Leiche eines ermordeten dreijährigen Jungen gestolpert war. In einem überfluteten Straßengraben, versteckt unter einer Spanplatte, im Dunkeln, bei strömendem Regen.
»Was hast du denn hier verloren, du kleiner Scheißer?«, fragte Logan halblaut.
Mastrick war nicht gerade bei Nicholson um die Ecke. Er wohnte in Bridge of Don, so ziemlich am anderen Ende von Aberdeen. Eine halbe Weltreise, und das bei diesem Hundewetter.
Und dann war da die Tüte. Beziehungsweise der Inhalt der Tüte.
»Ich frage mich …«
Doch Logans Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als das Funkgerät im Wagen zu plärren begann. Sie hatten die nächste Leiche gefunden.
Als Logan den Bauernhof am Rande von Cults erreichte, war es schon dunkel. Das Tor stand offen, und daneben parkte ein Streifenwagen mit zwei unglücklich dreinschauenden Constables, die hinter der beschlagenen Windschutzscheibe gerade eben zu erkennen waren. Sie sicherten den Zufahrtsweg. Logan hielt neben ihnen an und kurbelte sein
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