Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Eltern an das Kind weitergibt, wird jedes Mal neu entschieden. Wer mehr als ein Kind hat, weiß, wovon ich rede. Kein Kind gleicht dem anderen. Jedes ist individuell, auch wenn es von demselben Elternpaar abstammt.
Es ist immer wieder ein Wunder zu sehen, dass zweimal das Gleiche zu tun zu so unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Diese Individualität entsteht einerseits durch die zufällige Weitergabe immer wieder verschiedener Hälften und andererseits wird auch wirklich bei jeder Entstehung neuen individuellen Lebens genetisch neu gemischt. Durch diese Vorgänge, auch Rekombination genannt, ergeben sich immer wieder individuelle, noch nicht dagewesene Neukombinationen. Die nächste Generation ist also das Produkt aus Zufallsmutationen, zufälliger Mischung zweier Hälften und auch noch anderer Prozesse. Das ist das Grundprinzip der sexuellen Fortpflanzung. Auch wenn sich so manche Eltern immer wieder denken, es wäre besser, „er“ oder „sie“ wäre manchmal ein wenig mehr wie sie. Die nächste Generation muss sich von der vorigen unterscheiden, sie muss anders sein, sie muss es anders machen. Das ist ein Grundprinzip der Biologie.
Eine Hauptthese dieses Buches lautet, dass anders auch besser ist. Sie meinen, das kann doch jetzt aber nicht bedeuten, dass die Kinder immer besser sind als die Eltern – oder? Das stimmt deshalb nicht, weil nicht nur die Kinder anders sind als die Eltern, sondern auch die Eltern anders sind als die Kinder. Andererseits, das andere von den Kindern ist neuer … ich komme noch genau darauf zurück.
Um es in anderen Worten zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle der Zoologe Josef Reichholf (in „Wozu braucht die Welt Zigtausende verschiedener Schnecken?“) zitiert: „Mehr als jede andere ist eine einzige außerordentliche Neuerung des Lebens aufs engste mit der Artbildung verbunden: die Sexualität. Nach vielen Jahrmillionen vergleichsweise großer Einförmigkeit in der Evolution hat erst die sexuelle Fortpflanzung die Zahl der Arten so richtig explodieren lassen. Denn bei dieser Form der Vermehrung werden mütterliches und väterliches Erbgut vermischt, wobei Neues entstehen kann … Alles Neue ergibt sich erst, indem Altes auf neue Weise aufgemischt wird; beim Alten hingegen verbleibt, was unverändert fortgeführt wird. Dieser Zusammenhang ist uns dort, wo es ums kreative Gebären neuer Ideen geht, bestens vertraut: Wer immer nur das Gleiche lernt und auf althergebrachte Weise denkt, wird nicht weiterkommen – persönlich nicht, aber auch nicht im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften.“
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch ein paar Details über mein Beispieltier, die Hydra, anmerken, auch um Ihnen zu zeigen, dass das alles nicht ganz so weit hergeholt ist. Wie oben erläutert, können sich diese Wasserpolypen ungeschlechtlich fortpflanzen. Auch wenn er natürlich nie auf diese Idee gekommen wäre, hätte Charles Darwin der Hydra überhaupt den Ratschlag geben können, es in einer anderen Pfütze doch einmal mit Sex zu probieren? Die Hydra kann sich in der Tat auch sexuell fortpflanzen. Wann sie was warum macht, ist wissenschaftlich noch nicht ganz geklärt. Aber stellen Sie sich vor: Hydren können männlich, weiblich, ja sogar zwittrig sein. Und sie können wirklich Spermien (Samenzellen) und Eizellen bilden, die dann zu einem neuen Ganzen verschmelzen. Zu unserem Beispiel wäre außerdem zu sagen, dass Hydren unter optimalen Umweltbedingungen praktisch unendlich alt werden können, weil sie über eine durch Stammzellen vermittelte unglaubliche Regenerationsfähigkeit verfügen und irgendwie nicht altern. Sterben müssen sie nur, wenn sich die Umweltbedingungen, in unserer Pfütze, dramatisch ändern.
Der Zufall schützt uns
Die nächste Generation ist also das Produkt aus Zufallsmutationen, zufälliger Mischung zweier Hälften und anderer Rekombination. Die Mitglieder der nächsten Generation unterscheiden sich daher immer von ihren Eltern. Alle Mitglieder der nächsten und übernächsten und überübernächsten Generation sind aber auch immer untereinander unterschiedlich. Wer was an die nächste Generation vererbt, ist Zufall (Sie wissen es trotzdem: Das Gute hat mein Kind von mir, das Schlechte von ihm / ihr).
Warum soll aber der Zufall besser für die Zukunft rüsten? Ganz einfach: Weil er zu Individualität führt. Bei der asexuellen Fortpflanzung entstünden lauter gleiche Hydren. Als Konsequenz sexueller Fortpflanzung sind
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