Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
unnachgiebiger Entschlossenheit an einen matt schimmernden Pfeiler klammerte. Der Mann, mit dem sie sich unterhalten hatte, hing an ihrem rechten Bein. Die Emotionen, die sich auf dem Gesicht des Verzweifelten abmalten, waren mannigfaltig, und Flinx vermochte sie zu lesen wie ein Buch. Doch eine wäre für jeden offensichtlich gewesen: die Todesangst.
Der Todgeweihte war ein kräftiger junger Mann, und sein Griff war eisern. Er machte seine Sache so gut, wie man es von ihm erwarten konnte, bis zu dem Moment, da Mahnahmi ihr freies Bein anzog und ihm mit dem Stiefelabsatz mitten ins Gesicht trat. Mehr war nicht nötig. In den Augen die Ergebung in sein Schicksal, die mit der nahenden Vernichtung kommt, stürzte er in den Strudel und wurde verschluckt.
Dann, so plötzlich und gleichgültig, als hätte jemand das Zimmer verlassen und im Hinausgehen das Licht ausgeschaltet, ebbte die wirbelnde Feuersbrunst ab. In wenig mehr als einer Minute war sie wieder eine friedliche, unschuldige Membrane, deren Transparenz lediglich von den zufälligen goldenen Entladungen unterbrochen wurde, die auf ihrer Oberfläche tanzten.
Vom Sog des Mahlstroms befreit, sanken Flinx' Füße wieder zurück auf den Boden. Keuchend machte er eine Bestandsaufnahme von sich und seiner Umgebung. Von der mörderischen Anziehungskraft, die an seinem Unterkörper gesaugt und gezerrt hatte, war nichts mehr zu spüren. Obwohl sie den Druck ihrer Windungen ein wenig lockerte, verharrte Pip eng an seine Schultern gedrückt. Zögernd löste er die Hand von dem Segment des Glaskörpers, der ihn davor bewahrt hatte, in den Strudel gezogen zu werden. Sein Atem beruhigte sich wieder.
Abgesehen von dem beständigen, stereophonen Summen der Energiesäulen, die in ihren vorherigen Zustand zurückversetzt waren, war alles still. Vorsichtig stand er auf und spähte um die gläserne Kante. Auf der Oberfläche der Membrane war alles genau wie zuvor. Von all denen, die von der Crotase aufgebrochen waren, um sich in dieses Abenteuer zu stürzen, fehlte, abgesehen von der ihm bekannten zierlichen Gestalt jegliche Spur: nichts ließ erkennen, was mit ihnen geschehen war oder wohin sie verschwunden waren. Der Strudel konnte möglicherweise eine Art von Beförderungsvorrichtung gewesen sein, die in einen anderen Teil der Raumstation führte – oder in einen anderen Teil der Galaxis. Oder er war vielleicht eine Aufbewahrungseinheit, die alles, was sie aufsaugte, einfach nur für eine Zeitlang festhielt. Oder ein Müllschlucker. Oder noch etwas anderes, dessen widerwärtige Zwecke er sich nicht einmal ansatzweise vorzustellen vermochte.
Pip erhob sich augenblicklich von seinen Schultern und stieg in die Höhe, als sie seine Reaktion wahrnahm. Er spürte die Woge der Feindseligkeit, noch ehe er sich umdrehte, doch da war es bereits zu spät. Unter dem Eindruck der stattgefundenen Tragödie hatte sein Talent gerade lang genug nachgelassen, dass sich jemand von hinten an ihn heranschleichen konnte. Die fliegende Schlange zog ihren Kopf zurück, um anzugreifen – und stürzte zu Boden, eingehüllt in ein Gespinst aus klebrigen Fäden. Als die Fasern trockneten, wurde ihr Widerstand schwächer, bis sie schließlich reglos am Boden lag, die Flügel seitlich eingeklemmt, das Maul verschlossen von einem sich unerbittlich zusammenziehenden Material. Nur mehr ihr langsamer, stetiger Atem ließ erkennen, dass sie noch lebte.
Flinx sah sich jemandem gegenüber, der ebenso schlank war wie er, wenngleich auch anders gebaut. Die Frau war in einen rabenschwarzen Overall gekleidet, dessen Beine in schwarzen, bis knapp über die Fußknöchel reichenden Halbstiefeln endeten. Auf dem Kopf trug sie eine schwarze Haube mit blutroten Mustern. Als Flinx das Ensemble und die außergewöhnliche Gürtelschnalle erkannte, die aus einem Vanadiumkristall geschnitten und in die in Gold ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen eingelegt war, fuhr ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Vor ihm stand eine Qwarm.
Trotz ihrer Kahlköpfigkeit war die Profi-Attentäterin infamerweise höchst attraktiv. Außer dem schwer beladenen Waffengürtel an ihrer Taille war völlige Haarlosigkeit nur ein weiteres Kennzeichen der Mitglieder der Assassinengilde. Die Frau hielt zwei Waffen in der Hand. Eine davon war die großkalibrige Pistole, die Pip mit dem klebrigen Fädengeschlabber ruhig gestellt hatte. Die andere war ein Schallstilett. Die Lieblingswaffe der Qwarm arbeitete mit ultrahochenergetischen
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