Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
– dabei war er lediglich im Begriff, sich zu konzentrieren.
Da – da war es wieder! Nein, das hier war auf keinen Fall Einbildung. Hartnäckig und unmissverständlich hämmerte es in seinem Kopf, verlangte, zur Kenntnis genommen zu werden. Es war, als würde man ein zersprungenes und verzerrtes Bild von sich selbst betrachten. Trotz der vorhandenen Ähnlichkeit war es in verstörender Weise anders. Noch niemals zuvor hatte er so etwas verspürt.
Oder – hatte er doch?
Bilder. Er brauchte eine sichtbare Bestätigung. Das dringende Bedürfnis, ein oder mehrere Mitglieder der Crotase- Besatzung abzusondern und zu befragen, war völlig in den Hintergrund getreten.
Mit einer knappen Handbewegung ermahnte er Pip, auf seiner Schulter zu verharren, und setzte sich in Richtung der Stimmen in Bewegung. In geduckter Haltung von einer Deckung in die nächste schlüpfend, schlich er sich langsam und vorsichtig voran. Die Stimmen wurden lauter. Eine Diskussion war im Gange. Als er endlich nahe genug heran war, um über eine silbrige geschwungene Glaskante hinweg etwas erkennen zu können, hatte sich das Gespräch bereits zu einem offenen Streit ausgewachsen.
Es waren neun Menschen, drei Frauen und sechs Männer, alle in Zivil, alle bewaffnet. Nein, korrigierte sich Flinx im Geiste: Sechs Männer, zwei Frauen und ein halbwüchsiges Mädchen. Ihre Blicke waren auf etwas gerichtet, das eine riesige durchscheinende Membrane zu sein schien, die sich zwischen zwei gebogenen, spitz zulaufenden Säulen dunkler Elektrizität aufspannte. Die Säulen summten in Frequenzen, die sich an der Grenze der unteren Hörschwelle bewegten, während gold- und pinkfarbene Energieblitze über die Membranoberfläche jagten. Das Ganze sah aus wie eine elektrisch aufgeladene Seifenblase.
Zwei der Männer bestritten den Hauptteil der Debatte, während ihre Begleiter daneben standen und zuhörten, die Gewehre im Anschlag. Einige schauten sich immer wieder nervös um, als rechneten sie damit, dass jeden Augenblick etwas Zähnestarrendes und Schleimiges um die nächste Ecke springen und sich auf sie stürzen könnte, doch im Großen und Ganzen wirkten sie recht gelassen. Erfahrene Profis, folgerte Flinx, angeheuert wegen ihrer Fertigkeiten und höchstwahrscheinlich auch wegen des zusätzlichen Talents, im Bedarfsfall den Mund halten zu können.
Noch während er sie beobachtete und die Situation analysierte, drangen seltsame Empfindungen auf ihn ein. Schließlich wurde seine Aufmerksamkeit auf die erblühende Gestalt des jüngsten Expeditionsmitglieds gelenkt. Sie stand etwas abseits von der debattierenden Gruppe und unterhielt sich leise mit zwei anderen Mitgliedern des Teams. Und während sie redete, drehte sie sich plötzlich fort von der funkelnden Membrane und wandte Flinx einen Teil ihres Gesichts zu.
Der Stich, der ihm das Wiedererkennen versetzte, hätte ihn nicht tiefer durchbohren können, wenn er mit einer spitzen Duraliumklinge ausgeführt worden wäre. Obwohl es sich verändert hatte, erwachsener geworden war und hübscher erschien denn je, erkannte er dieses Gesicht. Es war nicht mehr das Antlitz eines unschuldigen Kindes, obschon der Verstand dahinter niemals unschuldig gewesen war. Es gehörte nun zu einem jungen Mädchen, das zur Frau heranwuchs. Sie mochte etwa fünfzehn Jahre alt sein, schätzte er, und sie war der einzige andere Adept, dem er jemals begegnet war. Kein Wunder, dass die ungewöhnlichen Emotionen, die er aufgeschnappt hatte, einen solchen Wahrnehmungsschauer in ihm ausgelöst hatten.
Mahnahmi.
Flinx war ihr zum ersten Mal vor vielen Jahren begegnet. Zu dieser Zeit war sie das Mündel eines wohlhabenden Kaufmanns namens Conda Challis gewesen, der sie für seine kriminellen Zwecke missbrauchte. Flinx selbst hatte damals gerade begonnen, nach Hinweisen auf seine Eltern zu forschen, nur um sich prompt in die Sache mit den in falsche Hände geratenen Janusjuwelen verstrickt zu sehen. Am Ende hatte seine Suche ihn auf eine Welt geführt, die unter Kirchenedikt stand, die merkwürdige Heimat der erstaunlich unverdorbenen, obschon geistig ausgesprochen hochentwickelten Ulru-Ujurrer. Unter anderem hatte er es dort mit dem einigermaßen frühreifen Mädchen zu tun gehabt, das schließlich allen eine Nase gedreht und das Weite gesucht hatte: vor den habgierigen Menschen, vor den räuberischen AAnn und auch vor den sonderbaren Ulru-Ujurrern. Die damals Neunjährige hatte ihre Flucht in einem, wie der Zufall es wollte,
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