Die Ecstasy-Affäre
Ich war wie gelähmt. Und als ich wieder denken konnte, war da nur der Wunsch: sofort nach Hause.«
»Das ist ja wohl klar!« fiel Habicht wieder ein. »Hier ist ein Hort der Sicherheit.«
»Was für einen Wagen fahren Sie?« Reiber machte sich einige Notizen in ein kleines Notizbuch. Wie im Fernsehen bei Inspektor Columbo, dachte Robert unwillkürlich. Nur der zerknitterte Mantel fehlt.
»Einen Citroën 2CV.«
»Eine sogenannte Ente?«
»Ich liebe diesen Wagen. Er macht richtig Spaß.«
»Und man kann ihn überall hinstellen ohne Sorge, daß er gestohlen wird.«
»Was soll das heißen?« fragte Habicht steif. Ihm als Jurist gefiel diese Bemerkung gar nicht. Sie warf Zweifel auf.
»Mit Autodieben haben wir große Erfahrungen.« Reiber klappte sein Notizbuch zu und steckte es in die Rocktasche. »Polnische und rumänische Banden haben sich darauf spezialisiert, aber bisher keinerlei asiatische Kriminelle. Die haben andere Spezialitäten. Was gestohlen wird, sind Mittelklassewagen, aber vor allem die Oberklasse. Mercedes, BMW, Audi, Volvo, Lancia, Alfa Romeo, Porsche, Jaguar … Das lohnt sich. Das zahlt sich jenseits der Grenze aus. Aber noch nie ist eine Ente von professionellen Autodieben entwendet worden. Und jetzt soll ein Asiat einen 2CV stehlen wollen?«
»Wollen Sie damit sagen, daß mein Sohn Robert lügt?« brauste Habicht auf. »Eine Unerhörtheit! Ich werde über Sie Beschwerde einreichen! Da sitzt mein Sohn, zusammengeschlagen und schwerverletzt, und die Polizei zweifelt seine Aussage an! Das wird ja immer toller in diesem Deutschland!«
»Vater …« Robert hob begütigend die Hand. »Reg dich nicht auf. Ich lebe noch, den Wagen gibt es noch … Darüber sollten wir froh sein.« Und zu Reiber gewandt: »Wie geht es nun weiter, Herr Kommissar?«
»Sie kommen morgen ins Kommissariat, und wir protokollieren Ihre Aussage.«
»Mein Sohn Robert wird bis zur völligen Genesung das Haus nicht verlassen!« Habicht zeigte auf den Arzt. »Dr. Heimes wird das attestieren.«
»Aber warum denn, Vater?« Robert nickte Reiber zu. »Es ist doch alles halb so schlimm. Ich bin morgen bei Ihnen, Herr Kommissar.«
Reiber war froh, schnell wieder das Haus Habicht verlassen zu können. Im Wagen sagte sein Begleiter, ein Kriminalobermeister, mit geblähten Backen: »Puh, der Herr Oberregierungsrat war aber in Fahrt. Wenn der über dich eine Beschwerde losläßt … Das gibt 'ne wüste Schreiberei.«
»Gar nichts wird er tun.« Reiber winkte ab und ließ den Motor an. »Ich kenne solche Typen. Die gibt's auch bei der Polizei. Die lassen heiße Luft ab und sind hinterher ein schlaffer Ballon. Am besten ist: alles überhören. Das Ohrenschmalz aktivieren, und die Ohren damit verstopfen.«
»Du glaubst diesem Robert Habicht nicht, Peter?«
»Seine Darstellung des Überfalls ist ungewöhnlich. Sie entspricht nicht den Erfahrungen, die wir mit Autodieben haben. Schon gar nicht mit der organisierten Kriminalität.«
»Ein Einzelgänger vielleicht.«
»Der will einen 2CV klauen, und nebenan stehen die Nobelkarossen? Das muß ein Schwachsinniger gewesen sein! Und dann auch noch Kung-Fu! Professionelle verschwinden lautlos im Dunkeln. Irgend etwas stimmt da nicht! Wer weiß, was der Junge vertuschen will? Aber warten wir bis morgen. Da quetsche ich ihn aus, ohne Vaters Gegenwart …«
Doch auch am nächsten Tag blieb Robert bei seiner ersten Aussage. Er erschien ohne seinen Vater bei Hauptkommissar Reiber im 13. Dezernat, dafür begleitete ihn Dr. Heimes, der Hausarzt. Reiber war es recht; er hörte sich den medizinischen Bericht und die Aufzählung der Verletzungen an, fertigte das Protokoll an, ließ es unterschreiben und steckte es zwischen zwei Aktendeckel. Dort würde es im Laufe der Jahre verstauben.
»Eins weiß ich jetzt genau«, sagte Reiber, als Robert und Dr. Heimes gegangen waren. »Es war kein Überfall und kein Kung-Fu! Was der Arzt an Verletzungen aufzählte, kann man niemals von einem Kung-Fu-Wurf bekommen. Der Junge ist in eine massive Schlägerei geraten und hat den Überfall als Schutzbehauptung erfunden. Aus Angst vor dem Herrn Papa! Und damit ist für uns die Sache erledigt. Ich ärgere mich nur, daß wir immer wieder mit solchem Mist belästigt werden!«
Der Fall des im Westpark Ost gefundenen ermordeten Polen Karyl Podniewski wurde zu einer Aktenleiche. Es gab nicht die geringsten Hinweise, keinerlei Verdacht, keine Verbindungen. Karyl war ein harmloser Tourist gewesen. Auffällig war nur, daß
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