Die Ecstasy-Affäre
er auf beste asiatische Weise ermordet worden war, mit einer dünnen Stahlschlinge.
Auch die Nachforschungen in Polen ergaben ein harmloses Bild des Toten: Zuletzt wohnhaft in Warka, einer kleinen Stadt an der Pilica, südlich von Warschau, von Beruf Apotheker, ledig, nicht vorbestraft, guter Leumund, eigenes Häuschen, unauffällig. Ein biederer Bürger. Daß er heroinsüchtig gewesen war, wußte offenbar niemand.
Warum ermordet man solch einen Menschen mit einer Stahlschlinge?
Kriminaloberrat Wortke flüchtete in eine kühne Erklärung: »Der Mann war 46 Jahre alt, unverheiratet. Er könnte ein Homo gewesen sein … dann war's ein Schwulenmord.«
»Am hellichten Tag im Westpark Ost? Mit einer Stahlschlinge?«
»Unter den Strichjungen sind viele Asiaten, das wissen wir doch.«
»Mit fällt etwas anderes auf.« Reiber blätterte noch einmal in der Akte, bevor Wortke sie wegschloß.
»Daß er vor seiner Entleibung ein Schweineschnitzel mit grünen Bohnen gegessen hat?« Es war eine typische Wortke-Bemerkung. Der ständige Umgang mit Mördern macht irgendwie zynisch.
»Dieser Karyl war Apotheker.«
»Wäre dir ein Gynäkologe lieber gewesen?«
»Apotheker haben große chemische Kenntnisse …«
»Du meinst …«
»Nur ein Gedanke. Drogenhandel über Apotheken, das wäre ein unauffälliger Weg.«
»Womit wir wieder da wären, wo wir neulich waren: Mein Toter ist eigentlich dein Toter. Nimm ihn dir, wenn er in deinen Raster paßt …«
»Da ist immer noch dieser rätselhafte Anruf, daß Heroin von Polen hereinkommen soll. Und da ist eine neue Organisation, die auf den Markt drängt: die Vietnamesen. Nun kombiniere mal: Da ist ein ermordeter Pole, der auf asiatische Art umgebracht wurde. Und der Tote ist Apotheker. Ergibt das kein Bild?«
»Ein gewagtes, verschwommenes Bild, mein Lieber.«
»Aber immerhin mit Konturen.«
»Und was bringen die?«
»Zusammenhänge.«
»Und wo ist der Knoten?«
»Unbekannt.«
»Gratuliere! Du hast den Fall fast gelöst.« Wortkes Spott traf Reiber nicht. Er wußte, daß keine Gemeinheit dahinter steckte, sondern freundschaftliche Aufmunterung.
»Man sollte seine Apotheke in Warka mal unter die Lupe nehmen.«
»Bravo!«
»Wieso?«
»Daß du den Namen dieses Nests behalten hast. – Was, meinst du, kommt dabei heraus, wenn wir die polnischen Behörden einschalten?«
»Wenig.«
»Also vergiß es. Außerdem wird Heroin nicht im Keller hergestellt, schon gar nicht in Warka, sondern es kommt fertig, mehr oder weniger rein, aus dem Goldenen Dreieck oder aus Kolumbien. Aber wem erzähle ich das!«
»Kokain wäre für einen Apotheker möglich. Und vor allem LSD. Und dann … Ecstasy.« Reiber schlug sich plötzlich vor die Stirn. »Ich Rindvieh! Daß ich daran nicht sofort gedacht habe! Ecstasy, unsere Modedroge! Der Himmel der Jugendlichen. Der ganz große Hammer der Energiepillen! Ecstasy kann jeder Apotheker herstellen, jeder halbwegs begabte Chemiedilettant! Jeder Laborant kann solch ein Teufelszeug mixen … Theo …« Reiber wurde immer aufgeregter und zog die Akte des Ermordeten wieder heran. »Das verschwommene Bild wird klarer: Da kommt ein Apotheker aus Polen nach München und wird umgebracht. Von Asiaten? Geht es hier um Machtkämpfe – Heroin gegen Ecstasy? Wir wissen, daß bestimmte Arten der Ecstasy-Pillen aus Polen stammen. Bisher heimlich, unauffällig, unter der Hand … Beginnt Ecstasy jetzt, den asiatischen Drogenmarkt zu stören? Mein Gott, wenn das wahr ist …«
»Was dann?«
»Dann haben wir hier in Kürze einen regelrechten Bandenkrieg, und bei dir stapeln sich die Toten. Da wird es gnadenlos zugehen, da ist eine Stahlschlinge noch das Harmloseste!«
»Und wie packst du die Sache an?« fragte Wortke, obwohl er die Antwort im voraus kannte.
»Wie immer – abwarten!«
»Also alles Scheiße!«
»Die Ecstasy-Szene ist völlig unübersichtlich. Und sie ist weit verzweigt. Es ist die In-Droge der Jugendlichen, zusammen mit der Techno-Musik die große Welle, die in den Discos alles überrollt. Wir haben Ecstasy-Verteiler schon auf Schulhöfen festgenommen, wo sie Probepillen an die Kinder verschenkten, schon von dreizehn Jahren an aufwärts. Und wer solch einen Drops einmal genommen hat, will einen zweiten und dritten, und schon ist er in den Fängen der Abhängigkeit. Das ist die simple Taktik dieser Verteiler: Verschenk drei – und du hast einen neuen festen Kunden!«
»Und weiter?«
»Weiter nichts. Die Aufreißer sind auch Jugendliche,
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