Die Ecstasy-Affäre
die Beine half. Sie lehnte ihn an die Wand, wischte wieder mit der Serviette das Blut von seinem Gesicht und hielt ihn so lange fest, bis er wieder auf eigenen Beinen stehen konnte.
»Komm«, sagte sie dann, und eine ihr bisher völlig fremde Zärtlichkeit lag in ihrer Stimme. »Komm, ich bringe dich nach Hause.«
Robert schüttelte den Kopf. »Ich kann allein gehen.« Es klang trotzig; er nahm Ulrike die Serviette aus der Hand, wischte sich selbst über das Gesicht und betrachtete dann das blutgetränkte Tuch. »Ich kann allein gehen«, wiederholte er.
»Das kannst du nicht. Ich rufe ein Taxi.«
»Mein Wagen steht eine Straße weiter …«
»Du kannst doch so nicht fahren!«
»Ich kann!« Er stieß sich von der Wand ab, wehrte Ulrikes stützende Hände ab und schwankte durch das Lokal zum Ausgang. Brunelli blickte ihm nach, noch immer in der Haltung eines reuigen Foulspielers, und auch jetzt war niemand zur Stelle, der Robert half, der ihn stützte und zur Tür führte. Henri, der Discjockey, legte eine flotte Platte auf, die Stimme Tina Turners hallte durch die Bar. Zwei Paare begannen sogar wieder zu tanzen, als sei nichts geschehen.
Mit Mühe erreichte Robert die Garderobe. Dort nahm Bolo ihn in Empfang und schüttelte den Kopf.
»Ich hab's dir gesagt!« sagte er vorwurfsvoll. »Ich hab dich gewarnt. Nun haste die Bescherung! Du bist doch ein Idiot!«
Er öffnete die Tür, ließ Robert auf die Straße und rief dem Wegtaumelnden nach:
»Ich hab's dir gesagt! Komm nie wieder! Vergiß Ulla …«
In seinem Wagen blieb Robert ungefähr eine halbe Stunde sitzen, bis er sich stark genug fühlte, nach Hause zu fahren. Sich ins Haus zu schleichen, wie er gehofft hatte, war nicht möglich. Hubert Habicht saß noch im Wohnzimmer, las ein bekanntes Wochenmagazin und ärgerte sich über einen Bericht, der Bundeskanzler Kohl einen Aussitzer der Probleme nannte. Gerda Habicht lag schon im Bett, in einen Roman über ein dramatisches Dreiecksverhältnis vertieft, anscheinend ein moderner Lebensstil, für den sie keinerlei Verständnis aufbrachte. Ihr wäre es nie in den Sinn gekommen, einen jüngeren Liebhaber zu nehmen; schon die Idee, mit einem ›Knäblein‹ im Bett zu liegen, ekelte sie an.
Robert blieb keine Wahl; er mußte an seinem Vater vorbei.
Hubert Habicht hob nur kurz den Kopf, als er seinen Sohn eintreten hörte, und wollte sich wieder dem Kohl-Artikel zuwenden, als er, gewissermaßen aus den Augenwinkeln heraus, den großen Blutfleck auf Roberts Hemd bemerkte. Habicht fuhr hoch und sah erst jetzt das zerschlagene Gesicht. Sein erster Gedanke war naheliegend.
»Ein Autounfall?« fragte er und stemmte sich aus dem Sessel hoch. »Großer Schaden? Wie ist das passiert? Bist du schuld?«
»Am Wagen ist alles in Ordnung, Papa.« Robert kam näher. Es hatte keinen Sinn, sich zu drücken.
»Aber du … dein Gesicht … alles voller Blut …«
»Ich … ich bin überfallen worden, Papa.«
»Überfallen?« Hubert Habicht starrte seinen Sohn an. Das verkrustete Blut ließ sein Gesicht wie eine Maske wirken. »Mein Gott, du bist überfallen worden? Aber wieso denn? Wo denn? Von wem denn?« Er trat an Robert heran und tastete ihn ab. »Wie fühlst du dich? Hast du innere Verletzungen? Ich rufe sofort Dr. Heimes an! Überfallen! Mein Sohn Robert überfallen! Aber so ist das bei unserer laschen Gesetzgebung. Man ist nirgendwo sicher! Es ist schon ein Abenteuer geworden, in der Dunkelheit spazieren zu gehen! Ich rufe Dr. Heimes.«
»Es war ein Ausländer. Ein Asiat. Ich kam gerade dazu, als er meinen Wagen aufbrechen wollte. Er war schneller und stärker als ich – und er konnte Kung-Fu. Ich bin einfach durch die Luft geflogen …«
»Mein lieber armer Junge!« Habicht drückte seinen Sohn an sich und küßte ihn auf die blutverschmierte Stirn. Aber dann überkam ihn heiliger Zorn. »Immer diese Ausländer!« rief er mit vor Empörung zitternder Stimme. »Wie lange sollen wir uns das noch gefallen lassen? Italienische Mafia, russische Mafia, rumänische Banden, polnische Gangster, chinesische Triaden, Kosovo-Killer … In welchem Land leben wir denn? Mehr als 50 Prozent aller Straftaten entfallen auf Ausländer. Und was macht die Regierung? Sie dreht Däumchen. Und die Polizei? Wir sind fast machtlos, gesteht sie. Du lieber Himmel, wohin steuern wir nur in Deutschland?!« Habicht atmete schwer, rannte dann zum Telefon und rief den Hausarzt der Familie, Dr. Julius Heimes an, der sofort zu kommen versprach. Der
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