Die Ecstasy-Affäre
Daunenkissen sehnst du dich auch – auf dem Umweg über mich.«
Er schüttelte energisch den Kopf, griff dann doch zu und umspannte mit seinen Händen Ulrikes Brüste. »Du siehst das alles völlig falsch«, sagte er.
»Ich sehe es richtig.« Sie zerrte an seinen Händen. »Laß mich los … Oder willst du schon wieder?«
»Nein! Nicht so!« Er gab sie frei und lehnte sich zurück. Er wußte, daß sie jetzt bewußt ordinär sprach, um ihn zu verunsichern oder gar zu prüfen. »Einigen wir uns auf einen Kompromiß: Du bekommst deine Boutique, ich gebe Konzerte.«
»Das kann der eine auch ohne den anderen tun.«
»Nein, ich werde bei jedem Konzert an dich denken – und eigentlich nur für dich spielen. So wie Robert Schumann immer an seine Clara gedacht hat.«
»Robert Schumann? Robert? Ist das ein Patenonkel von dir?«
»Nicht ganz.« Er stand auf und streifte das Badetuch ab. »Ich ziehe mich an.«
Sie nickte und spürte, daß sie etwas Dummes gesagt hatte. »War das was Falsches?« fragte sie und rührte in ihrem erkalteten Kaffee herum. »Ich bin eben eine dumme Nuß!«
»Das Glück hängt nicht davon ab, ob man Robert Schumann kennt«, sagte er, ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Ulrike folgte ihm sofort, lehnte sich in den Türrahmen, und er sah sie wieder im Spiegel. Diese unwiderstehliche Verlockung …
»Treffen wir ein Abkommen«, schlug sie vor, kam ans Bett und setzte sich auf die Kante. Ihre leicht gespreizten Beine im Spiegelbild rissen Robert herum. »Du bringst mir Bildung bei – und ich dir die Liebe! Abgemacht? Wer war Robert Schumann?«
»Ein berühmter deutscher Komponist. Die herrlichsten Kinderlieder sind von ihm.«
»Und ich zeige dir den ›Wind im Lotosteich‹! Los, Bob, zieh dich wieder aus …«
Hua Dinh Son wurde in An Khe, einer kleinen Stadt in Süd-Vietnam am Fluß Ba geboren und hatte seine Jugend in Saigon verbracht, zunächst als Straßenbettler, dann als Laufjunge in einem drittklassigen Hotel und als Schlepper für amerikanische und französische Touristen zu den Bordells. Sein Lockspruch war: »Junge Blüte, kaum geöffnet!«, was bei den Weißen immer gut ankam und ihm ein anständiges Trinkgeld einbrachte. Seine Eltern kannte er nicht. Er wuchs zwischen Müllbergen und stinkendem Abfall auf und konnte sich nur schwach daran erinnern, daß man ihn eines Tages auf ein abgeerntetes Reisfeld gesetzt und allein gelassen hatte. Damals war er drei Jahre alt gewesen, und rückblickend war ihm später klargeworden, daß es seine Zieheltern waren, die ihn bis zu diesem Alter ernährt hatten und ihn dann einfach wegwarfen wie einen durchlöcherten Topf. Ein Lastwagenfahrer nahm ihn dann mit nach Saigon und lieferte ihn bei der Polizei ab.
Was soll die Polizei mit einem knapp dreijährigen Kind? In einem Kinderheim bekam er keinen Platz, alle waren überfüllt – und außerdem: Wer sollte die Kosten tragen? So kam die Polizei auf die einfachste Lösung: Sie setzte den kleinen Son in einen Park unter einen Oleanderbusch, gab ihm noch eine Schüssel Reis und einen gebratenen Fisch mit und überließ es dem Schicksal, was mit Hua Dinh Son geschehen würde.
Son war ein zähes Bürschchen. Mit asiatischer Erfindungsgabe gesegnet, spielte er ein verkrüppeltes Kind, saß in Saigon an belebten Straßenecken und bettelte sich durch, bis er bereits mit zehn Jahren entdeckte, daß das Vermitteln von Huren ein gutes Geschäft war. Nachts schlief er in Parks oder im Ufergras des Ba-Flusses, aber schon mit fünfzehn baute er sich eine Schilfhütte, las in einem Park von Saigon ein vierzehnjähriges Mädchen auf, das genauso heimatlos und armselig war wie er, nahm es zu sich und verkaufte es stundenweise an amerikanische Soldaten.
Ein gutes Geschäft. Die ›halb offene Blüte‹ Nungjei besaß bald eine Stammkundenkartei, aus der Schilfhütte wurde ein festes Holzhaus, Son legte sich ein Motorboot zu, fuhr zum Fischen oder tuckerte mit Touristen durch den Küstendschungel, und es sah ganz so aus, als hätten Son und Nungjei den Aufstieg aus dem Müll geschafft.
Aber dann kam die Katastrophe: Die Amerikaner räumten Vietnam, auf Saigon rückte der kommunistische Vietkong vor, aus Saigon wurde Ho-Chi-Minh-Stadt, und die Quelle des Wohlstands versiegte. Die Jagd auf die Kollaborateure begann. Tausende wurden hingerichtet, zum Teil öffentlich auf den Plätzen oder im Fußballstadion.
Wie Tausende seiner Landsleute beschloß auch Son, aus Vietnam zu flüchten. Er hatte es besser als
Weitere Kostenlose Bücher