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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wußten, daß er für ›Problembereinigungen‹ geeignet war. Nach seiner Flucht um die halbe Erde bis nach Polen, auf der er irgendwelche Skrupel nur als Ballast betrachtet und dem Leben – getreu seiner Philosophie – oftmals Opfer gebracht hatte, war er in diesem kleinen Nest Wolomin hängengeblieben. Der Grund war Marika, ein ältliches Mädchen mit einem linksseitigen Klumpfuß, das den Vorzug hatte, die einzige Tochter des Sägewerkbesitzers Josef Dschulanski zu sein. Ein angesehener Mann, ein gesunder Betrieb, eine rettende Insel für den heimatlosen Son.
    Natürlich war Josef Dschulanski sofort gegen einen Vietnamesen und warf ihn, als er sich als Arbeiter bewarb, aus dem Haus. Doch Son erkannte seine Chance. Tochter Marika, wegen ihres Leidens ziemlich ohne Aussicht, einen Ehemann zu bekommen, verfiel dem flotten Fremden, vor allem aber berauschte sie seine asiatische Liebeskunst. Marika opferte alle Vernunft in dem Holzschuppen zwischen Sägespänen und frisch duftenden Brettern, bis sie zu ihrem Vater sagen mußte:
    »Vater, ich bekomme ein Kind.«
    »Von wem?« hatte Josef Dschulanski gebrüllt. »Her mit dem Kerl!«
    Er befürchtete das Schlimmste; wer sich an Marika heranmachte, mußte entweder blind oder ein Idiot sein. Aber immerhin: Es gab einen Enkel.
    Dschulanskis Befürchtungen wurden noch übertroffen, als Marika dann mit sichtlichem Stolz Hua Dinh Son als Vater ihres Kindes präsentierte.
    »Ein asiatisches Balg!« schrie Dschulanski herum. »Von einem Vietnamesen! Ich kann mich im Sägemehl begraben! Was hast du dir dabei gedacht, du Trampel? Die Leute werden sich bepinkeln vor Lachen und Schadenfreude. Dschulanskis Tochter mit einem Gelben!«
    »Ich liebe ihn!« antwortete Marika. »Er ist ein fleißiger Mann.«
    »Das sieht man! Und nun?«
    »Ich werde ihn heiraten.«
    Und so geschah es auch. Im streng katholischen Wolomin mußte ein Kind einen legitimen Vater, einen ehelichen Erzeuger haben. Ob nun weiß, schwarz oder gelb – ein Kind ist immer ein Geschenk Gottes. Die Stimmung in Wolomin schlug völlig um, als Son den katholischen Glauben annahm. Ein christlicher Bruder ist stets willkommen.
    Aber das Leben braucht Opfer – wir wissen das.
    Im sechsten Monat erlitt Marika eine Fehlgeburt: Sie war im oberen Holzlager ausgeglitten und vier Meter tief auf einen Stapel Bretter gefallen. Ein rätselhafter Sturz: Marika berichtete, ihr sei plötzlich schwindelig geworden, und dann sei sie in die Tiefe geflogen. Den Fall habe sie ohne Verletzungen überstanden, nur das Kind hatte den Aufprall nicht überlebt und mußte herausgeholt werden.
    Son errichtete für sein totes Kind – es wäre ein Sohn gewesen – einen Altar in Form eines Kruzifixes und eines Gnadenbildes der Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Auch das trug dazu bei, daß ganz Wolomin den Vietnamesen ins Herz schloß.
    Doch nicht genug des grausamen Schicksals: Ein halbes Jahr später geriet Josef Dschulanski in den Sog eines Vertikalgatters und wurde der Länge nach durchgesägt wie ein Baumstamm. Ein Unfall, wie er in älteren Sägewerken manchmal vorkommt. Oft sind es nur eine Hand oder ein Arm, die das Opfer verliert, hier war's der ganze Dschulanski, der den Tod fand.
    Auch für ihn errichtete Son einen Altar; nur brannte jetzt eine Kerze nicht vor der Schwarzen Madonna, sondern vor einem Foto des ehrwürdigen Verblichenen. Die Polizei, die den Unfall untersuchte, kam zu dem Ergebnis: Unachtsamkeit und veraltete Schutzvorrichtungen. Son nahm sich das sehr zu Herzen und modernisierte sofort alle Maschinen. Er war nun Besitzer des Sägewerkes, hütete sich, seiner Frau Marika ein zweites Kind zu machen, und gewöhnte sich an ein behäbiges, sorgloses Leben.
    Tja, und dann kam eines Tages dieser Anruf, der Sons Lebenslauf in eine zweite Bahn drängte.
    »Du bist übermorgen in Berlin!« sagte eine Stimme auf vietnamesisch.
    Son starrte gegen die tapezierte Wand seines Wohnzimmers und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wer ist da?« fragte er auf polnisch zurück.
    Die Stimme ging auf diese dumme Frage nicht ein. Sie fuhr fort: »Du steigst im Hotel ›Gloria‹ ab. Dort wird dir der Portier einen Brief übergeben. Führe alles aus, was in dem Brief steht. Hast du verstanden?«
    Son war kein feiger Mensch, das war er nie gewesen, auch jetzt nicht. Die Schule des Lebens, die er bisher durchlaufen hatte, hatte ihm die Lehre mitgegeben: Was, wie und wo auch immer – wehre dich! Das Leben ist ein Kampf.
    »Wißt ihr, was ein

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