Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
Gernot Haber, aber mit Vincent war ich damals...« Ich seufzte und setzte mich.
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Zwei Stunden lang entführte mich Hausmeister Raffke in die flirrende Welt seines Lebens. Mit angehaltenem Atem und offenem Mund lauschte ich den Weisheiten eines gewissen Ferdinand Marbach – »das war mein Stubennachbar beim Bund« –, dessen »Es kommt, wie es kommt und wenn’s nicht kommt, dann kommt was anderes, oder auch nicht, aber genauso kommt’s und damit Prosit, Kamerad!« in der Tradition einer Montesquieu, eines Hegel, eines Helmut Kohl würdig bestand.
Zum Glück war Raffke bei archäologischen Grabungen in seiner Speisekammer eine Flasche Riesling untergekommen, ein wenig schon ins Essigmäßige gekippt, mit genügend Leidensfähigkeit aber immer noch trinkbar. Der wackere Hausmeister hatte gerade angesetzt, mich mit Wilfried Gerbuschek bekannt zu machen – »nee, sorry, das war ja der Ex von Ida Gerbuschek, also den hätten Sie sehen müssen, LKW-Fahrer und immer zwischen Rüdesheim und Nizza unterwegs – kennen Sie Nizza? Also ich kenne nur Rüdesheim, aber das reicht mir völlig« –, als er auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen begann. »Meine Blase! Moooo-ment!« Er tigerte toilettenwärts, ich wartete auf das erleichterte »Ah!«, das den Beginn der hydrotermischen Entladung markierte und schlich auf den Flur, wo ich beim Betreten der Wohnung ein Schlüsselschränkchen registriert hatte. Sehr vorsichtig öffnete ich es nun und fand tatsächlich den Schlüssel zum Honigschen Refugium auf Anhieb. Einstecken und auf Zehenspitzen zurückschleichen, gerade noch rechtzeitig, die Toilettenspülung überantwortete die Verwandlung des Riesling der Kanalisation, sollte die sich damit herumärgern.
»Wieder da«, verkündete Raffke und gähnte. In mir keimte Hoffnung auf ein baldiges Ende der narrativen Tortur auf, die aber gnadenlos zertreten wurde, als der Hausmeister auf Wilfried Gerbuschek zurückkam, also eigentlich Matthias Eugen Schlaffkötter, »Schulkamerad von mir, mit dem hab ich immer Schwanzvergleich gemacht, war ein knapper Wettkampf damals, aber ich hab gewonnen.« Ich beglückwünschte Raffke dazu und kippte ihm den Rest des Rieslings ins Glas. Inzwischen pustete mir Beethovens Fünfte in die Ohren, Raffkes Stimme wurde lauter, um die Rache des Tauben aus Bonn an der hörenden Menschheit zu übertönen. »Dieser Schlaffkötter war dran schuld, dass ich Hilde kennengelernt hab, weil die Hilde hatte ein Auge auf den Matti geworfen, aber der war irgendwie schwul geworden, wenn du verstehst, was ich meine.« Es war kaum misszuverstehen. Ich nickte und erhob mich. »So, jetzt muss ich aber auch mal pinkeln.« Raffke gähnte und genehmigte es.
Ich ließ mein Wasser sehr langsam, betrachtete mir in aller Ruhe die Arbeit des Raffkeschen Innenarchitekten im Sanitärbereich, wusch mir die Hände sehr sorgfältig mit Seife – und dann gleich noch einmal, summte Beethoven mit, der alle Wände durchdrang, kämmte mein Haupthaar mit der Inbrunst eines manischen Friseurs und kam so schließlich nach geschätzten fünfzehn Mi nuten zu meinem Gastgeber zurück, den ich, wie erhofft, eingenickt auf dem Sofa vorfand. Gut so.
Im Treppenhaus tastete ich mich durch die Dunkelheit nach oben, Stufe für Stufe. Dem Beethoven hatte ich vorher den Saft abgedreht, Raffke hatte den Entzug der kulturellen Hintergrundberieselung mit der Kraftlosig keit eines im Tiefschlaf Gefangenen aufgenommen, sich halb um die eigene Achse gedreht und damit begonnen, die symphonische Tonkunst durch das Folkloristische eigenen Schnarchens zu ersetzen. Auch gut so.
Ich legte ein Ohr an Honigs Wohnungstür und hörte nichts. Wenn jetzt der Schlüssel von innen steckte, hätte ich ein Problem. Ich führte mein Exemplar vorsichtig ins Schloss, spürte keinen Widerstand, die Tür ließ sich anstandslos öffnen, es war hinter ihr noch finsterer als vor ihr. Ich trat ein.
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Etwas Weiches berührte meine Füße, als ich vor einer Tür angekommen war, hinter der sich ein heftiges, aber regelmäßiges Schnaufen hören ließ, die weichgespülte Variante des wilden Raffkeschen Schnarchens, könnte man sagen. Ich bückte mich vorsichtig und griff in dünnen Stoff, Seide oder Chiffon oder Nylon oder so, Frauenkleidung für gewisse Stunden und Erregungen halt. Besonders pfleglich ging Herr Honig mit seinem erotischen Fummel jedenfalls nicht um.
In mir war ein irrer Plan gereift, der das Streben nach Erkenntnis mit dem Rachereflex vereinte und sehr
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