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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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archaisch war, um nicht zu sagen scheißbrutal. Bedenken meines Restgewissens wurden resolut niederargumentiert. Später, später, liebes Gewissen, jetzt ziehen wir das hammermäßig durch und wenn dann alles passiert ist, gründen wir eine Ethikkommission, die darüber räsonie ren darf, ob Moritz Klein ein grobschlächtiges Monster ist oder doch nur das gewöhnliche Arschloch. Ethikkommissionen sind ja in. Ob für oder wider Atomkraft oder bei der Beantwortung der Frage, ob die Kombination von blauen Hosen und grünen Westen Augenkrebs verursacht: Man setzt ein paar Respektspersonen – darunter mindestens drei katholische Bischöfe, vier ausgemusterte Politiker und eine busenoperierte Schauspielerin mit Migrationshin tergrund – an einen runden Tisch und lässt sie nachdenken. Bringt nichts, kommt zu spät, hat keine Konsequenzen – aber beruhigt ungemein.
    Ich öffnete so leise wie möglich die Tür zu Honigs Schlafzimmer. Läge er mit seiner handgreiflichen Begleiterin im Bett, hätte ich ein Problem und müsste von meinem Plan Abstand nehmen. Fände ich ihn alleine vor, würde sich ein anderes, nicht weniger heikles Problem stellen. Denn um meinen Plan auszuführen, kamen mir Honigs Dessous zwar zupass, etwas Entscheidendes aber fehlte: Chloroform. Und das hat folgenden Grund:
    Wir alle kennen ja diesen Krimi eines leidlich erfolgreichen Autors, in dem »das Böse« seine Opfer nächtens überfällt, chloroformiert und dann an ihre Betten fesselt. Augen und Ohren sind mit Tape abgeklebt, geatmet wird nur durch die Nase, was natürlich blöde ist, wenn die Nasenlöcher zu Verstopfung neigen. Dem Autor gelingt es in hervorragender Weise (wirklich, das ist wissenschaftlich belegt!), die Todesangst und überhaupt die Gedanken der so Gequälten in gutes Deutsch zu bringen, ja, es ist beinahe literarisch. Ein Mensch in einer solchen Situation tut alles, sagt alles. Und genau in diese Verlegenheit wollte ich Honig bringen. Mit seinem Fummel – es war ein stabiler Unterrock dabei, ein ebenso stabiler Büstenhalter, ein Höschen, Strapse (sehr gut) und eine Strumpfhose – ans Bett fesseln (hoffentlich schläft der Typ in einem Bett mit Pfosten und nicht in so einem modischen Futon), vorher eben chloroformieren, was aber, wie schon erwähnt, nicht möglich war. Nun, mir würde etwas anderes einfallen.
    Ich betrat Honigs Schlafzimmer, gewöhnte mich an die Dunkelheit, lauschte. Kein Zweifel, hier übte sich lediglich eine einzige Person in gemäßigtem Schnarchen, was mich sehr beruhigte. Schritt für Schritt ging ich auf Zehenspitzen, dabei fiel mir ein, dass Honigs Nase ja schon lädiert war und ihm deshalb das Atmen schwer fallen würde. Das passte genau und würde mir sehr viel Zeit ersparen. Ich tastete dorthin, wo ich den Nachttisch mit der entsprechenden Lampe vermutete. Ich fand sie, ich fand sogar den Schalter, ich mach te Licht und schaute mir den schlafenden Honig an, diese Kreatur, deren Gesicht von Schminke verschmiert war, das ganz allmählich unruhig wurde, die Augenlider vibrierten leicht. Der Mann erwachte.
    Und dann war er wach, hatte die Augen geöffnet, sah hoch ins Licht, drehte den Kopf leicht zu mir hin, ich erkannte Panik in den Augen. Der Kopf schnellte hoch – und sofort wieder ins Kissen zurück. Kein Wunder, ich hatte ihm nämlich mit der flachen Hand dermaßen fest gegen die Stirn geklopft, dass selbst ein Eisbär davon groggy geworden wäre, was nun nicht bedeutet, dass ich dem armen Knut ein Leids getan hätte.

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    Da lag er nun: Herr Honig im kleinkarierten Schlafanzug, alle Viere von sich gestreckt, jedes Glied mit einem Insignium verruchter Weiblichkeit an einen Bettpfosten gebunden. Den linken Arm fixierte ein blassrosa String, den rechten ein sattrosa BH mit Brüsseler Spitze, das linke Bein ordnungsgemäß ein vollelastischer Strumpfhalter und das rechte schließlich der zum Strick verdrehte Unterrock, ein hauchdünnes Nichts von Etwas, das mich am Körper einer schönen Frau sofort auf 180 gebracht hätte, am Körper Honigs aber nicht einmal Tempo 30 in der erotischen Fußgängerzone würde erreichen lassen.
    Und ich? Ich stand wie ein Folterknecht vor meinem Opfer und hörte zu, wie dieses völlig von Sinnen werdende Wesen dumpfe Töne gegen den mit Leuko plast (Honig hatte eine gutsortierte Hausapotheke) luftdicht verklebten Mund katapultierte. Beschönigen möchte ich nichts. Auch mir zieht sich nur eine hauchdünne, mühsam erlernte zivilisatorisch-kulturelle Membran –

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