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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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um mir als »volle Wahrheit« aufgetischt zu werden. Gottlob hatte Honig keinen Vorsorgekurs bei der Atomindustrie belegt, war also ein reiner Amateur. Ich nahm die Rolle Leukoplast in die Rechte, warf sie spielerisch in die Linke und so weiter. Eine kleine Wahlhilfe zugunsten der Wahrheit.
    »Die Plüschosterhasen?«, fragte Honig zeitschindend. »Ach so, die Plüschosterhasen!« Ich ließ ein paar Laute demonstrativer Ungeduld hören, begann einen Streifen Leukoplast von der Rolle zu wickeln, sagte mit einem beiläufigen Blick auf die Armbanduhr: »So, ich muss gleich gehen. Bisschen Heftpflaster noch auf die Fresse – meinen Sie, Ihre Nasenlöcher tuns noch die nächsten zehn bis zwölf Stunden?« Honig schluckte mehrmals, der Schweiß auf seiner Stirn verdreifachte sich.
    »Ja«, sagte er schließlich, »die Plüschosterhasen!« Ich stand auf und schüttelte den Kopf. »Schade, mein Lieber. War nett, Sie gekannt zu haben. Also was ist mit den Osterhasen? Und erzählen Sie mir jetzt nichts von irgendwelchen depperten Sätzen.«
    Honig schien aufzugeben, ließ ein tiefes und resigniertes »Ach!« hören. »Ja, die Formeln halt«, sagte er endlich. »Weiter«, ermunterte ich ihn, »welche Formeln?«
    »Keine Ahnung.« Honigs Stimme erreichte den Jammerton von 440 Hertz. »Wir sind doch nur die Zwischenstation. Ich weiß nur, dass es handgeschriebene Papiere sind, weil mal eine Figur kaputt war und halt so ein Zettel rausgefallen ist, ein Zettel mit so Formeln drauf. Und die kommen aus Bangladesch oder Indien oder was weiß ich.«
    »Und ihr leitet das dann weiter nach St. Malo, ja?« Mein Wissen überraschte ihn sichtlich, er nickte. »Mehr wissen wir nicht, ehrlich!« Es klang flehend, ich grinste ihn hartherzig an. »Und die beiden Häschen, die sie letztens an Bruggink geliefert haben? Hä?« Das saß. Er ließ seinen Kopf auf das Kissen sinken. »Ich weiß nur, dass mir Lydia gesagt hat, ich soll die beiden zu Bruggink bringen. Ab und zu ist das so. Dann gehen die nicht nach Frankreich, sondern halt zum Konsul. Aber...« Ich winkte ab. »Ja, ja, Sie wissen selbstverständlich nichts Näheres. Aber jemand macht euch Konkurrenz? Wer?« Das sei ja die Scheiße, presste es sich aus dem Bettlägrigen. »Da sind neue Player aufgetaucht, sagt Lydia, keiner kennt sie, aber sie mischen sich halt ein. Einen Hasen haben die uns abgenommen und mir die Nase zertrümmert. Harte Burschen, das.«
    Nun, ich war auch ein harter Bursche, wie ich feststellte. Die Freude darüber dauerte aber nicht lange. Denn draußen an Honigs Wohnungstür tat sich etwas. Jemand war eingetreten, hielt jetzt inne, die Tür fiel ins Schloss.

136
    Ganz unter uns: Das Leben kann manchmal scheißkompliziert sein. Dies mag all jene überraschen, die Politikern vertrauen oder sich mit Vorliebe an rosamundepilchernder Gemütsnahrung überfressen. Ist aber einfach so. Eben noch schien alles überschaubar – dort Honig, der Geknechtete, hier ich, der Entscheider und Leistungsträger – und plötzlich trampelt Mister X auf die Bühne und schon kommt es zur »Umwertung aller Werte« (Friedrich Nietzsche).
    Dass da »draußen vor der Tür« (Wolfgang Borchert) ein Mister X stand und keine Mrs. X, wurde rasch Gewissheit. Ein lauernd textender männlicher Bari ton fragte nämlich: »Alles ok bei dir, Honey?« und Honig, der wenigstens die englische Übersetzung seines Namens zu kennen schien, gurgelte hocherfreut ein »Nö!« zurück. Danach war erst einmal Stille, drei Gehirne überlegten an gestrengt. Bis der Bariton sich den nächsten Schritt zurechtgelegt hatte und ankündigte: »Dann komm ich mal rein, ne?«, es aber so voller Selbstzweifel vortrug, dass klar war, dieser Ankündigung würden vorerst keine Taten folgen.
    Honig sah das anderes und trällerte ein sehr melodisches »Au ja!«. Ich wies grimmig auf die schwere Nachttischlampe, sodann auf Honigs Kopf, vollführte eine Handbewegung, die den Zusammenstoß der Lampe mit diesem Kopf und seiner allzu weichen Hirnschale simulierte und verbalisierte: »Wenn du Spacken hier reinkommst, bring gleich nen Putzlappen für Honeys ausgelaufenen Dummschädel mit.« Die Drohung wirkte, Mister X nahm vorerst Abstand von seinem Vorhaben, das Schlafzimmer zu okkupieren, das heißt, er war schlauer als die Franzosen, die unbedingt mal hatten nachschauen wollen, was in Libyens vier Wänden gerade so abging.
    Der da draußen ließ ein philosophisch eingefärbtes »Hm« vernehmen und erarbeitete eine neue Taktik.

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