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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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für den Kaninchenpelz. Und verlangte sodann lautstark nach einer »Monika!«
    Mit Monika war wohl die Wirtin gemeint. Aus dem Raum hinter der Theke ertönte jedenfalls ein überraschend jugendliches »Ja gleich!« und mit ihm erschien tatsächlich Monika, ein Heike-Makatsch-Klon, nur ansehnlicher. In nie für möglich gehaltener Synchronizität, so es diesen Ausdruck überhaupt geben sollte, straffte sich das Herrentrio, sechs Hände verschwanden diskret unterm Tisch und brachten die Gemächte in Ordnung. »Noch einen!«, verlangte die Dame und auch die Herren hoben ihre Gläser, taten, was sie als Lächeln missdeuteten, der Korpulente legte generös einen Satz dazu: »Schenk uns noch was Schnuckliges ein, du süße Maus!«
    Frauen mit Pferdeschwanzfrisuren haben mich schon immer nervös gemacht. Nun wippte die Haarpracht samt Trägerin zu mir herüber, blieb stehen und es fragte, was ich nicht anders erwartet hatte: »Was darf es sein?« Ich bestellte meinen Glühwein und die Wirtin drehte sich ohne weitere Regung um. Ich sah ihr nach, die Alten sahen ihr nach, sogar die Dame mit dem Kaninchenpelz sah ihr nach, und hätte es noch seine Augen gehabt, auch das Kaninchen hätte der Wirtin nachgesehen.
    Die Bestellung hatte mich zu einem existenten Phänomen im Universum der »Bauernschenke« werden lassen, zu einem gerade erst aus dem Säuglingsheim des Kosmos entschlüpften Stern. Die Dame schenkte mir ein Lächeln, die Herren einen Blick, der die jüngere Konkurrenz beim Monikawerben einzuschüchtern trachtete. »Monika!«, rief denn auch Glatzkopf sofort, »ist das hier jetzt auch ein Kindergarten?«
    Ich entschloss mich, die übrigen Gäste zu ignorieren und sah wieder zum erleuchteten Fenster der Weberschen Wohnung hoch. Was mochte Sonja hinter den Gardinen gerade denken? Mir fiel ein, dass es meine berufliche Pflicht war, die Wohnung genauestens unter die Lupe zu nehmen, um eventuelle Hinweise zum Verbleib ihres Besitzers zu finden. Es war halb neun und mithin zu spät für einen unangekündigten Besuch. Vielleicht saß Sonja Weber im Negligé vor der Glotze, vielleicht vor einem Tellerchen mit frugaler Mahlzeit, was sie genieren musste. Morgen war Sonntag, da überfiel man die Leute auch nicht in ihren Wohnungen, also am Montag. Mir stand eine arbeitsreiche Woche bevor.

14
    Der Glühwein wurde mir in einer großen, mit Sternen und Tannenbäumen bedruckten Tasse serviert. »Wohl bekomms«, wünschte die Wirtin und machte kehrt, wieder von allem, was Blicke hatte, bis durch die Tür hinter dem Tresen begleitet. Unglaubliche 1,50 kostete die Tasse Glühwein, so dass die »Bauernschenke« nicht nur in puncto Einrichtung den Muff der Fünfziger rekonstruier te. Die Frau im Kaninchenpelz prostete mir mit ihrem Eierlikör zu, ich prostete zurück. »Du greifst aber auch in jede Wiege, Irmi«, kommentierte der Dreimännertisch, wandte sich jedoch sofort wichtigeren Dingen des Daseins zu: bei SCHLECKER gab es jetzt Kukident auch in der Vorteilspackung mit Sammelbild »Die größten Stars der zwanziger Jahre«.
    Mir wurde warm. Beim zweiten Glühwein noch wärmer. Ob ich die Speisekarte wünsche? Wirtin Monika hatte die Dauer ihres Lächelns analog zur Zeche verdoppelt. »Die Monika steht aber nicht auf der Karte!«, lachte der Dicke, und wenn das so war, wollte ich auch die Karte nicht sehen. »Es spannen die Lauscher die Spanner die lauschen«, dichtete es von Greisenseite, auf eine »Cornelia« gemünzt, die beim letzten Ball der einsamen Herzen ihre Ohren überall gehabt habe, »widerlich so was, und dann hat sie auch noch Mundgeruch.«.
    Aus der Tür des Hauses, in dem Georg Weber wohnte, trat ein Mann, mittelalt und hager, eine Wollmütze auf dem Kopf. Er schlug den Kragen seiner Jacke auf, ging die paar Schritte zum Straßenrand und wartete, bis sich eine Lücke im Autoverkehr auftun würde.
    Bewegte sich nicht die Gardine da oben, wo Sonja Weber im Birnenlicht eines vermuteten Wohnzimmers den Abend bei was auch immer verbrachte? Die Gardine bewegte sich, ein Schatten tauchte dahinter auf, die Gardine wurde ein wenig beiseite gezogen, Sonja Webers Gesicht, kein Zweifel, sie blickte auf den wartenden Mann, der nun zügig die Straße überquerte, für zwei oder drei Sekunden verschwunden war und dann die Gaststube betrat. Sonja Webers Gesicht zog sich hinter die Gardine zurück, wurde zum Schatten, der Schatten war weg. Sehr merkwürdig.
    Der Mann machte nicht den Eindruck, als habe er die Wirtschaft soeben zum

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