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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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allerlei französische Vokabeln, die an unseren geschlossenen Augen vorbeiwehten. Immer noch halbwegs blauer Himmel draußen. »Wo ist eigentlich Regitz?« Ich öffnete die Augen, der Platz mir gegenüber, dort, wo sich der mächtige Alte vor einer Stunde hingesetzt hatte, war leer. »Auf Toilette?«, schlug ich vor. »Ja, vor einer halben Stunde«, relativierte Vika. »Dann hat er sich aus dem Staub gemacht«, schloss ich messerscharf. »Sieht so aus«: Vika, nicht weniger scharf. Sollten wir uns darüber freuen oder traurig sein? Wir waren zu erschöpft, um solche existentiellen Fragen zu beantworten. Vika sagte nach fünf Minuten: »Der Typ hat uns sowieso die Hucke vollgelogen, ich wette, er läuft uns in St. Malo wieder über den Weg. Er hat kein Geld, er muss auf Umwegen in die Stadt zurück, wir werden zuerst dort sein.« Immerhin hatte er seinen Personalausweis.
    Es war Mittag, als wir auf der schon vertrauten Strecke in die Korsarenstadt gelangt waren, der bekannte Bummelzug, junges Volk um uns herum. Der Himmel zog zu, Wind kam auf. Zum nächsten Geldautomaten, auch die EC-Karte hatten die Ganoven Vika gelassen – »na logisch, wo sie doch Ritter des bargeldlosen Zahlungsverkehr sind, oder?« – ich, der ich solchen Luxus nicht besaß, war nun ein Kostgänger der Detektivin.
    In die Altstadt, zu Mittag essen. »Tut mir leid«, sagte Vika irgendwann, »aber sei Oxana nicht böse. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.« Wie hätte ich Oxana böse sein können? Ich winkte ab. Schon gut.
    »Und nun?« Ich wusste es auch nicht. »Erst mal zurück ins Hotel, bisschen frischmachen, umziehen. Bei Regitz vorbeischauen, ob er schon angekommen ist. Oder nein, sparen wir uns. Ich hätte nicht übel Lust, mir den ominösen Ostermann mal näher anzuschauen. Könnte sein, dass ich noch eine Ersatzwaffe in meinem Zimmer habe.« Ich nickte. Würden wir brauchen können.

207
    Frisch gewaschen und rasiert, umgezogen und einen doppelten Wodka aus der Minibar schmatzend: So setzte ich mich vor meinen Laptop und betrat endlich wieder die digitale Zivilisation. Hermine hatte mir gemailt, es war anscheinend der Tag der irren Geschichten, ihre handelte von Mangos und ugandischen Obstschalen, ich brauchte einige Zeit um zu begreifen, was passiert, dass Hermine jetzt arbeitslos war. Ein paar tröstende und aufmunternde Worte, dann erzählte ich ihr meine irre Geschichte in aller gebotenen Kürze, bat sie auch, Oxana und die anderen davon zu unterrichten. Runter ins Foyer, wo Vika schon auf mich wartete. Sie trug, ganz damenhaft, ein beiges Kostüm aus gekämmter Wolle und einen passenden Mantel. Gute Verkleidung für das, was wir vorhatten.
    »Jean-Pierre Pacques & Cie. – Marchandises»: Das Firmenschild hätte eine Auffrischung vertragen können, die Farbe blätterte ab. Wir zahlten den Taximann, warteten, bis der Wagen verschwunden war, ließen ein Grüppchen Arbeiter passieren, beobachteten das Gebäude, in dem sich nichts regte, aber das konnte täuschen. Vika vergewisserte sich mit einem Griff in die Handtasche, dass dort die Ersatzpistole einsatzbereit lag. Ich öffnete das Tor, wir gingen auf die Eingangstür zu, ein wenig mulmig war uns schon. »Diesmal niete ich alles um, was bei drei nicht auf den Bäumen ist.« Meine Begleiterin wirkte finster entschlossen, ich gedachte meiner beschädigten Hoden und schwieg lieber.
    Es war der Tag der offenen Türen in den Räumlichkeiten von«Jean-Pierre Pacques & Cie. – Marchandises«. Der Tag auch, an dem die Angestell ten frei hatten. Wir inspizierten die Räume des Erdgeschosses, das Lager, einen Waschraum, eine kleinere Abstellkammer mit Putzmitteln und einem gehörigen Vorrat Klopapierrollen. »Ich hab so ein komisches Gefühl«, sagte Vika, die Pistole im Anschlag, als wir die Treppe hinaufstiegen, dorthin, wo die Büroräume sein mussten. Auch ich hatte dieses komische Gefühl, meine Sinne waren konzentriert, ich hörte den Staub durch das Treppenhaus wirbeln, roch, wie im fernen Shanghai eine Bambussprosse erhitzt wurde, um EHEC-Keime abzutöten, sah den kosmischen Äther, der um uns waberte. Oder glaubte es zumindest. Oder fühlte mich so, dass ich es glauben musste. Egal. Wir bemühten uns um Geräuschlosigkeit und stiegen vorsichtig Stufe für Stufe hoch.
    Das erste Büro, gleich links, befand sich in einem Zustand, der effizientes Arbeiten ziemlich erschwerte. Aktenordner waren aus den Regalen, sonstiges Papier aus Schubladen gerissen worden und stellte nun auf dem

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