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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Leanne.« Die Angesprochene nickte in die Runde. »Wie viele Morde gibt es?«, wollte ihre Nebenfrau wissen, »drei, Federchen«, antwortete Leanne, »aber es ist kein normaler Krimi, also mit Ermittlungen pehpeh.« »Ups«, sagte eine andere der Damen, »dann kann das nichts für mich sein.« »Nee, lies ruhig, Ingrid, wird dir gefallen,« sagte die Frau daneben und bekam ein »Na dann, Mistie« zurück.
    So verplätscherte eine Stunde, drei Glühwein füllten inzwischen meinen Bauch und wärmten nicht schlecht. Ich beobachtete weiter das Haus gegenüber, doch dort tat sich nichts, die Wohnung der Webers blieb dunkel, keine Sonja kehrte heim, kein Lothar schlich sich hinaus. Die Alten hatten bisher kein Wort gesagt, auch ihre regelmäßigen Nachbestellungen durch das Heben der Gläser veranlasst. Am Stammtisch war man dazu übergegangen, »zu wichteln«. Jeder pflückte sich ein Zettelchen vom Christbaum, auf dem Zettelchen stand ein Buchtitel, den nun jemand anderes aus der Runde schenken musste. Oder so ähnlich. Ich verstand es nicht ganz. Ein vierter Glühwein noch, dann würde ich zu Lothars Wohnung gehen, um endlich den Namen dieses mögli cherweise merkwürdigen, möglicherweise auch stinklangweiligen und für meinen weiteren Lebensweg belanglosen Menschen herauszufinden. Helga / Monika hatte gerade eine neue Runde an den Altentisch gebracht, ich hob mein Glas – und eine zweite Helga / Monika trat aus der Küche, ging an der Theke vorbei und flüsterte Helga / Monika I etwas ins Ohr. Entweder eineiige Zwillinge oder ich sah doppelt. Auf den vierten Glühwein verzichtete ich jedenfalls und kramte nach meinem Geldbeutel.

34
    Tief »Omar« peitschte neuen Schnee über die Stadt. Ich legte mich mutig gegen den Wind, das Gesicht geriet in eine Gefriertruhe, die eine Waschmaschine in der Ahnenreihe haben musste. Vor mir torkelte ein schniekes Paar in Lammfellmänteln und warf Schachtelsätze durch die Luft, die Sätze drehten Salti und zersplitterten in den Ohrmuscheln. Da wir uns nicht am Hindukusch aufhielten, konnte das nicht der Verteidigungsminister plus Ehefrau sein. Ich quälte mich in ihren Windschatten und kam einigermaßen heil durch die Fußgängerzone.
    In mir dachte es. An Sonja Weber und was sie bei meinem Besuch heute Mittag getragen hatte. War ich in sie verliebt? Nein. War ich eifersüchtig auf diesen Lothar, der eventuell ein Verhältnis mit ihr hatte? Ja. Wie passte das zusammen? Blödeste aller Fragen. Als würde irgendwo irgendwas zusammen passen, wenn schon bei IKEA die Schrauben notorischerweise breiter sind als die Löcher für die Schrauben. Das Paar vor mir bog ab und lieferte mich wieder den Schneerabauken aus, die sofort auf meine Visage einzuprügeln begannen, was ich zwar verstehe, aber dennoch nicht schätze.
    Aus der Straße, in der Lothar wohnte, brüllte mir der Wind entgegen. Ich ging langsam und schwer an den parkenden Autos vorbei, sie waren nur über zuckerte Schemen in meinen brennenden Augen, das Fahrzeug von gestern, in dem jemand gesessen und vielleicht Lothars Wohnung beobachtet hatte, konnte ich beim besten Willen nicht ausmachen. Ich zückte die kleine Taschenlampe und leuchtete auf das Klingelbrett. Lothar Schyprishyvitzky. Ein Mann, an den man sich nur erinnerte, weil man sich partout nie an seinen Namen erinnern konnte. Einen Schritt zurücktreten, hochschauen, kein Licht. Ich steckte die Taschenlampe ein und ging weiter. Hinter mir wurde eine Autotür geöffnet, zugeschlagen, ich drehte mich nicht um. Lauschte gegen das Heulen des Windes, beschleunigte so gut es eben ging, bog in eine Seitenstraße ein, durch die ich noch nie ge gangen war, wollte mich immer noch nicht umdrehen, lauschte weiter, hörte nichts. Und weil ich nichts hörte, glaubte ich etwas zu hören, denn im Leben ist alles Religion. Wenn es schon keinen Gott geben kann, dann erfinden wir uns halt einen.
    Noch eine Straße und noch eine. Wo war ich? Im verrufensten Viertel der Stadt, wo man fieserweise das Bruttosozialprodukt drückte, was auch der schlimmste Blizzard nicht verbergen konnte. Gleich links eine schäbige Kneipe mit einem Schild im Fenster, »Alk gegen Bildungsgutscheine«. Zahnloses Gemurmel hinter der geschlossenen Tür, darüber aus den Wohnungen wahlweise Stimmen aus dem Fernseher – »In Bad Zwischenahn wurde der Christbaum mit Weißwürsten geschmückt« – oder das theatralische »Ich schlag dich doot, du Sau« aus Gattenmund. Bloß nicht umdrehen. Da war jemand und kam

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