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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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langweilig.
     
     
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    Karnevalsprinzen; das auch noch. Dieser Irrgarten überraschte stets aufs Neue mit Ecken und Wegen, die meisten davon Sackgassen. Okay, würden wir halt reintappen müssen, aber nicht jetzt. Anderes war wichtiger. Wo man unterkommen sollte, zum Beispiel. Marxer, mit dem Oxana telefoniert hatte, residierte keck in seiner Villa, eine öffentliche Person, der die Aufmerksamkeit wie Aufputschmittel in den Adern zirkulierte. „Werd ich wohl auch wieder hin müssen“, sagte die Kasachin und seufzte. „Und ihr?“ „Großmuschelbach“, sagte Sonja Weber und schielte kurz zu Kriesling-Schönefärb, der seinerseits errötete. „Ich hab dort ne Freundin, die wohnt etwas abseits, da vermutet uns niemand.“ Also doch nicht zu Igor. Gute Gelegenheit auch, zwei alte Freunde zu besuchen.
    Mein Aufenthalt im idyllischen Großmuschelbach würde jedenfalls ein sehr vorübergehender sein. Passivität lag mir nicht in den Genen – jedenfalls stellte ich das überrascht fest. Irgendwie würde ich mich durchmogeln und den Postillion zwischen den einzelnen Grüppchen spielen. Logistische Überlegungen, taktische Grundlagen. Nichts über Handys preisgeben, wurden bestimmt abgehört. Treffpunkte festlegen, geheime Zeichen ausmachen. „Gute Idee“, lobte Oxana.
    In einem kleinen Vorortladen kaufte Oxana eine Plastiktüte voll Prepaid-Handys, „schön anonym, nach Gebrauch bitte wegwerfen“. Ich steckte mir drei in die Tasche. So gondelten wir gen Großmuschelbach, das jetzt wirklich ein Fluchtpunkt geworden war, ein Kaff abseits der großen Welthändel, ein Ort, an dem die Zeit stillstand. Glaubten wir, dachten wir, irrten wir.
    An den Hähnchenmastfarm vorbei. Rechts davon ein Hinweisschild, das augenscheinlich improvisiert und neu war: „Welcome to Crazy Chicken Town!“ Aha. Sonja Weber bekam den Mund nicht mehr zu. Es fiel uns auf, dass wir nicht, wie auf unseren bisherigen Fahrten, die einzigen auf der Straße waren. Vor uns, hinter uns: Autos. Der Himmel hatte ein Einsehen und zeigte zwei Stück Blau, sehr vorübergehend auch das, wir ahnten es, wir sahen es. Dennoch: Irgendetwas war hier anders als sonst.
    Am Ortseingang von Großmuschelbach ein weiteres Schild: „RAVE! ROCK! TECHNO! GANGSTARAP! EVENTS FOR ALL!“ Dumpfe rhythmische Töne drangen ins Innere des Wagens. Oxana bremste ab, wir rollten gemächlich in den Ort.
    Der alles andere als menschenleer war, auch das ein gravierender Unterschied zu früher. Leute in modischen Klamotten flanierten über die Hauptstraße, die Fenster der Häuser standen offen, als müsse man den Mief der letzten Jahrhunderte vertreiben. Und so war es wohl auch. „Versteh ich nicht“, murmelte Sonja Weber und wir schlossen uns dem schweigend an. Verstanden wir nicht.
    Sonjas Freundin, eine gewisse Marion, hatte außerhalb ein kleines Häuschen, es ging ein Stück bergan, um zwei scharfe Kurven, dann lag es vor uns, hübsch von einem Jägerzaun eingefriedet. Wir stiegen aus, Kriesling-Schönefärb spielte den Galanten und half Sonja aus dem Wagen, beide verlegen. Oxana sah sich das in etwas düsterer Stimmung an und blinzelte mir zu.
    Klingeln, Schritte, eine kleine blonde Frau um die Vierzig öffnete uns, begrüßte Sonja auf Freundinnenart mit ausgiebigen Umarmungen und Knutscherei, bat uns hinein. Hübsch gemütlich, es roch nach Kaffee, „als hätte ich geahnt, dass heute noch Besuch kommt. Bitte Platz nehmen.“ Nein, das mache überhaupt keine Umstände! Betten gäbe es hier auch genug, also zwei, drei auf jeden Fall. „Ich leb ja recht einsam hier, wer hier Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, obwohl...“ Es habe sich etwas getan im Ort, ständig Party, ständig diese nervigen Bässe. Und die Menschen! Plötzlich lebenslustig!
    Ich nickte. Konnte mir schon vorstellen, wer dafür verantwortlich war. Mein erster Gang würde mich zu Krauses Fotogeschäft führen.
     
     
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    Oxana parkte den Wagen schräg gegenüber von Krauses Fotoladen, hinter einem von Wummerbässen gerüttelten und geschüttelten Ford, auf dessen eisigem Blechdach zwei bauchfreie Mädchen katzenartig und traumverloren hüpften. „Sollen wir reingehen?“ „Lieber nicht“, antwortete ich und die Kasachin nickte. „Sind nicht so gut auf uns zu sprechen, die Herrschaften. Obwohl... ohne uns wäre Großmuschelbach immer noch das triste Kaff, das es jahrhundertelang war.“
    Jetzt war es das triste Kaff von heute, tanzmenschenbevölkert, eine kleine Schlange streckte ihren Kopf in

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