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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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den Laden, an dessen Tür ein großes Schild hing: „Hier Karten für den nächsten CAVE RAVE, 15 Euro, 1 Getränk incl.“ Kein Vertun, die Burschen machten Kasse. Zwei halbwüchsige Jungs stolzierten in angesagten Klamotten über die Straße, halbe Ärsche blitzten im Anflug von Sonne, die sich für fünf Minuten zeigen würde, um uns den nachfolgenden Schnee zu versüßen. Waren das nicht die Knaben, die ich bei meinem ersten Besuch in Krauses Laden gesehen hatte? Schwer verändert auf jeden Fall. Ein Fahrrad, ein ältere Frau saß darauf, einen Korb mit Brezeln auf dem Gepäckträger, sie hielt, wuchtete den Korb vom Rad, aus der Schlange wurden ihr Münzen und Scheine entgegengestreckt, wechselten die Besitzer ebenso wie die Brezeln.
    „Pass gut auf“, sagte ich zu Oxana, „hier wirst du gerade Zeugin, wie eine kapitalistische Gesellschaft aus feudalistischen Strukturen entsteht, das ist pures 19. Jahrhundert, endgültiger Aufstieg des merkantilen Bürgertums, kurz bevor es Krimis lieben lernte. Hängt alles irgendwie zusammen.“ Oxana machte nur „hm, hm“, wahrscheinlich hätte sie auch gerne eine Brezel gehabt.
    Aussteigen war aber nicht, denn justament in dieser Sekunde schob sich eine bekannte Gestalt durch die Wartenden ins Freie, wir brauchten einige Schreckminuten, sie zu identifizieren. Regitz. Der Alte steckte in einem silbrig glänzenden Overall und dito Stiefeletten, die Ohrläppchen frisch gepierct, auch in der Nasenscheidewand blinkte es einschlägig. Zufrieden betrachtete er sich die Szenerie, strich sich mit beiden Händen über den gewaltigen Bauch und begann zwanglos mit einem wartenden Mädchen zu reden, das ihn verlegen oder bewundernd anlächelte.
    „Drecksack“, zischte Oxana, „die stauben hier alles ab, was bei Drei nicht auf den Bäumen ist, Weiber wie Kohle.“ „Besser als kleine Kinder zum Pläsir von degeneriertem Geldadel schuften zu lassen“, gab ich zu bedenken, doch Oxana ließ das nicht gelten. „Jetzt schaffen sie halt anders. Man müsste sich mal so einen Rave angucken, wohl nischt wie Kinderarbeit und Ecstasy.“ Stimmte sicherlich.
    Sonja Weber und Kriesling-Schönefärb waren jedenfalls einigermaßen gut untergebracht, Oxana machte gute Miene zum für sie bösen Spiel, denn sie ahnte, was kommen würde. Die Rückkehr der verlorenen Seele zum Heterosex, aber so etwas hakte die erfahrene Frau routiniert ab. Sie ließ den Motor an, wir rollten langsam Richtung Stadt zurück.
    „Du kannst ja in Igors Wohnung pennen“, schlug sie vor und wies mit dem Kinn auf das Handschuhfach. „Guck mal, da liegt der Schlüssel drin. Igor ist sowieso gerade nicht im Land, nur den Kühlschrank musst dir füllen.“ Sie selbst müsse heim zu ihrem Dichter, den Typen wieder an die kurze Leine kriegen, „sonst kommt der noch auf dumme Gedanken.“ Folgte uns jemand? Oxana prüfte es im Rückspiegel. Nein, niemand. Und was sagte uns das? Noch weniger. Vielleicht hatten sie den Wagen präpariert, wussten immer genau, wo er sich gerade befand. Aber was sollten wir tun?
    In einer vornehmen Wohngegend hielten wir vor einem dreistöckigen Haus, erkennbar nicht sozialer Wohnungsbau. „Igors Wohnung liegt im 2. Stock. Ich ruf dich gegen Abend an, mal was überlegen.“ Sie wandte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf den Mund, viel zu kurz, doch lang genug um zu hoffen, auch Oxana wandele endlich auf Sonja Webers wieder aufgenommenen Spuren.
     
     
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    Standen die Typen draußen immer noch rum? Vorsichtig hinter die Gardine treten, gucken. Ja, taten sie. Konnten einem leidtun, die Jungs. Bei dieser Kälte. Aber irgendwie taten Marxer die Jungs nicht leid. Selber schuld. Hätten was Anständiges lernen sollen. Was waren das eigentlich für welche? Normalobullen oder Verfassungsschutz? Falls letztere, hätte man ihnen zurufen mögen: Kümmert euch mehr um die mordenden und sengenden Nazis in diesem Land!
    Wenigstens war Oxana wieder da. Schon ihr Anblick hatte Marxer ein schlechtes Gewissen bereitet. Nein, er würde ihr nicht den Laufpass geben, er brauchte diese Frau. War auch sofort auf ihr Zimmer, umziehen, in einem Kleid zurückgekehrt, das Marxer den Atem geraubt hatte. Darauf konnte er nicht mehr verzichten, er war oxanasüchtig, ein Abhängiger ihres Körpers, ihrer Stimme, ihres Intellekts. Wie alle Suchtis hatte er auch keine Lust auf eine Entziehungskur.
    An den Schreibtisch setzen, das Adrenalin spüren, in den Griff kriegen. Schreiben heißt: die Wirklichkeit zuschneiden,

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