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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Tatsächlich. Sie vermisste diesen schwanzgesteuerten Lotterbuben, diesen Testosteronklumpen auf zwei Beinen (er hatte es gerne, wenn man ihn „Dreibeiner“ nannte, der Angeber), diesen völlig verabscheuungswürdigen Stehpinkler, der nichts konnte, was nicht für ein paar Euro in einem gutsortierten Sexshop käuflich zu haben war, diesen... sie vermisste ihn einfach.
    Die „Bauernschenke“ platzte aus allen Nähten. Am Rentnerstammtisch drängten sich die Senioren und erzählten sich die Ereignisse der vergangenen Nacht und des Morgens immer und immer wieder, nostalgische Kriegsberichterstattung, Stalingrad-Ersatz, aus Fakten wurden Geschichten, aus Geschichten Mythen, Helden wurden geboren und Bösewichte, und am Ende war alles – Märchen. Egal. Sollten sie nur. Hatten es verdient. Das Bier floss in Strömen, sogar Irmi saß unter ihren Altersgenossen, ihren Eierlikör vor sich und, je mehr Zeit verging, in sich.
    Auch die „Arbeitsgruppe Kriminalliteratur“ der Volkshochschule war anwesend und besprach die neuesten Entwicklungen auf dem Spannungssektor. Welchen thematischen Einfluss würde die gegenwärtige politisch-ökonomische Lage auf den Krimi haben? War der Banker drauf und dran, den diabolischen Arzt, den hinterlistigen und größenwahnsinnigen Wissenschaftler als Hassfigur abzulösen? Eine angeregte Diskussion entspann sich, der Hermine nur mit halbem Ohr folgte.
    Auch Borsig und sein Bildhauerinnentrio war anwesend, ebenso Oxana mit Marxer. Die Kiddies hingegen hatten sich eine Auszeit genommen, es galt die Binnennachfrage auf dem Spielothekenmarkt anzukurbeln, später jedoch, so hatte es Jonas versprochen, würde man kurz erscheinen, um Hermine abzuholen und nach Hause zu geleiten. Rührend, dachte die stolze Frau Mutter.
    Mohamad und Mirjam werkelten in der Küche, es gab gebratene Fleischwurst mit Spiegelei, wahlweise, für Gourmets, Schinken mit Spiegelei. Auffällig viele fremde Gesichter saßen im Gastraum, allein oder zu zweit. Die meisten mochten durch die Berichterstattung im Internet angelockt worden sein, aber es war zu befürchten, dass auch Vertreter der Staatsgewalt undercover anwesend waren – vielleicht das junge Pärchen, das sich seit drei Stunden an einem Bier festhielt und so tat, als sei es schrecklich ineinander verliebt? Oder der schlecht rasierte Mann Typ Verwaltungsangestellter in der Selbstfindungsphase, der mit der Gabel lustlos in Fleischwurst und Ei stocherte? Überlegte, ob er diesen Genuss auf seine Spesenabrechnung würde setzen können? Keine Ahnung. Man sah es ihnen nicht an. Also lass es sein, Hermine.
    Und sie vermisste ihn immer noch. Was er wohl gerade trieb? Ja, genau: TRIEB. Sie hasste ihn. Ihre Hände, die das Biertablett balancierten, zitterten, sie musste sich beherrschen, an etwas anderes denken. Nur, an was? „Mach mir noch nen Kurzen, Süße“, sagte Nancy und wollte etwas hinzufügen, doch ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Handtasche, stutzte, hörte zu, legte die Stirn in Falten und schickte eine Salve von Knall- und Zischlauten auf die andere Seite der Verbindung. Das war wohl Isländisch.
    Vom Rentnertisch kamen neue Bestellungen. Hermine riss sich los, ging zu den Senioren, deren vom Erzählen trockenen Kehlen neue Biere heischten. Auch am Krimistammtisch unterhielt man sich hitzig. Wurde die Jahrhunderte lange Dominanz des Whodunit vom Whydunit bedroht und welche Rolle spielte der Whendunit? Nancy hatte ihr Telefonat inzwischen mit einem „Das war mein Daddy aus Reykjavik!“ beendet und nach der zügigen Leerung des soeben gebrachten Bieres hinzugefügt: „Die Alten haben die Kommunikationsblockade durchbrochen, also ich fasse es nicht!“ Marxer war ganz Ohr. Er befand sich mal wieder in einem Writer's Block, wie man den Burn Out in Künstlerkreisen nannte und war für jede Anregung dankbar.
     
     
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    Hä? Was ging denn hier ab! Bernie kratzte sich am Kopf. „Sowas schon mal erlebt, Jonny? Von wegen Kuhkaff. Hier steppt der Bär – und wie.“ Jonny sagte nur „jo“ und bewegte seinen Hintern im Technotakt. Kam von da drüben. Bergwerk oder was. Clever, clever, die Leutchen. Und war einerseits gut und andererseits schlecht. Viele Leute hier, sie würden nicht auffallen. Viele Leute hier – und das waren potentielle Zeugen. Hoffentlich waren sie nicht zu einem Blutbad gezwungen.
    „Und wie finden wir den jetzt, diesen...“ „Kriesling-Schönefärb“, ergänzte Bernie und verdrehte die Augen. Jonny war ja ein netter Kerl,

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