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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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das Maul aufmache, quatsche ich Sie schwindlig und jedes weibliche Wesen garantiert aus dem Höschen, aber hallo! Dabei bin ich ein nachdenklicher Mensch, das heißt ich denke während ich rede, ich denke nämlich: Dich krieg ich auch noch, du blödes Arschloch. Jedenfalls: Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich so gewissenlos und brutal wie mein Vater war. Besonders das Frauenbetrügen habe ich von ihm geerbt, ja, es ging so weit, dass ich sogar die Prostituierten betrogen habe, mit denen ich damals bevorzugt verkehrte. Hab ihnen vorgegaukelt, nur sie zu beglücken und so weiter. Heute weiß ich, dass dies keinen großen Eindruck auf die Damen gemacht hat, schade eigentlich.“
    Er holte Luft und auch Kriesling-Schönefärb holte Luft. Was wollte ihm dieser Typ sagen? Sein Geschwafel lenkte nicht einmal von dem quälenden Hunger ab. Und die Wasserflasche war auch leer.
     
     
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    „Ich sag Ihnen mal was“, sagte Bruggink. „Manchmal leide ich an Visionen wie andere Männer meines Alters an Blähungen und Impotenz.“ Kriesling-Schönefärb zweifelte keine Sekunde daran, dass sich Bruggink mit diesen „andern Männern“ selbst meinte und sah der bevorstehenden gemeinsamen Nacht hinsichtlich der Blähungen mit einigem Schaudern entgegen. „Visionen, die Rettung der Menschheit betreffend. Und jetzt hören Sie mal genau zu.“ Kriesling-Schönefärb ergab sich in sein Schicksal.
    „Machen wir uns nix vor, aber der Kapitalismus geht den Bach runter. Das sagt Ihnen heutzutage jeder, der Geld hat. Und ICH habe Geld! Aber warum ist das so? Weil die Armen noch nicht arm genug sind! Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn der Geldkreislauf funktioniert. Nämlich von unten nach oben. Das ist Naturgesetz, lesen Sie die Bibel oder das Nibelungenlied oder Sarrazin. Geld ist wie Heu: nur in Bündeln wirklich effizient. Wenn Sie einen Heuballen in seine einzelnen Bestandteile auflösen und auf der Erde verstreuen, wird alles vom Winde verweht – und genauso ergeht es dem Geld. Sobald Sie es in milden Gaben, auch Lohn genannt, auf die Armen regnen lassen, verdunstet es, seine potentiell segensreiche Wirkung verpufft. Nur OBEN ist es zu etwas gut. Unsere Gesellschaft krankt daran, dass es zuviel Geld regnet. Kann man das aufhalten? Man kann! Aber wie? Ganz einfach: Die Gesellschaft muss in eine geldgeile – oben – und eine geldlose – unten – aufgeteilt werden! Schauen Sie nach Griechenland! Dort ist es bereits so, dass die Armen sich immer mehr auf Tauschgeschäfte verlegen. Und die Reichen bringen ihr Geld ins Ausland, damit es in Sicherheit ist. Spanien genauso. Der Euro erstarkt nur unter der Bedingung, dass er zurück zu den Starken kommt.“
    Ein Irrer, dachte Kriesling-Schönefärb. Erinnerte sich dann aber daran, was er am Kabinettstisch so alles gehört hatte. Dort wäre Bruggink nicht aufgefallen, es sei denn durch die Wirkung seiner Blähungen.
    „Kommen Sie mir jetzt nicht mit Moral und Theologie und Moraltheologie! Ich scheiß drauf! Es geht um das Glück des Menschen und das ist, je weiter sie die soziale Pyramide runterklettern, unabhängig von Geld! Ja, man kann sagen: Je weniger Geld man hat, desto unglücklicher macht es! Und gucken Sie doch mal jetzt das mit dem Kreuzfahrtschiff nach Italien! Wer war an Bord? Massenvieh! Leute, für die 999 Euro GELD sind! Und die Quittung? Voll gegen den Felsen gefahren!“
    Kriesling-Schönefärb wurde müde. Er tat, was er auch bei Kabinettssitzungen getan hatte, wenn der Bundesentwicklungshilfeminister wieder einmal begründete, warum er nichts von Entwicklungshilfe hielt. Einfach abschalten, die Gedanken fliegen lassen, irgendwo hin, wo es schön war.
    „Und deshalb bin ich hier!“ kreischte Bruggink jetzt unvermittelt. „Weil ich eine Vision habe! Weil ich die Naturgesetze kenne! Weil ich die Menschheit glücklich machen will! Weil ich ihr die Bürde des Geldes abnehmen möchte! Weil ich verdammt noch mal ihre Töchter vögeln, ihre Söhne ausbeuten will! Weil ich der geborene Diktator bin! Weil mein Vater, dieses unendliche Arschloch, mir nie etwas von Moral erzählt hat! Weil ich nichts dafür konnte, wenn mir bei meinen Frauen mal die Hand ausgerutscht ist! Nur deshalb sperren Sie mich hier ein!“
    Kriesling-Schönefärb murmelte ein halbherziges „Ja“ und fühlte sich sogleich in der festen Umarmung des Konsuls. „Danke, mein Freund, es ist gut, in der Not einen Menschen nahe zu wissen, der einen versteht. Ich hab ja sonst fast niemanden. Meine

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