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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Happyends in kleinen Schüben kommt, nicht mehr wahrzunehmen. Ein Krimi braucht Überraschungen, braucht das erkennbare Verbrechen, hier war es wieder: Georg Weber.
    Ins Büro zum Däumchendrehen. Ein Stapel druckfrischer Tagespresse auf dem Schreibtisch, bis um 13 Uhr musste er durchhalten, dann hatte er seinen „Außentermin“ bei der Illner, etwas ausruhen vorher, noch einmal ausgiebig duschen, Vorbesprechung, schminken, ein paar Phrasen vor laufenden Fernsehkameras dreschen, kleiner Umtrunk, sich hernach freuen, wenn man sich nicht allzu sehr blamiert hatte.
    Das Überfliegen der Schlagzeilen. „Griechenland in trockenen Tüchern!“ Klang wie „Trockene Tücher endlich erfolgreich um die Hälse des griechischen Prekariats geschlungen!“ Oder das hier: „Gauck muss wilde Ehe beenden, da sonst Würde des Amtes bedroht!“ Irgendein CSU-Familienpolitiker (klang wie der notorische „Terrorismusexperte“ beim ZDF), aber in diesen Kreisen existierte die wilde Ehe sowieso parallel zur unwilden mit Trauschein, kleiner schreiender Beitrag zur günstigen demografischen Entwicklung inklusive. Heuchlergesellschaft, intellektuelles Brachland.
    Puh, was war das? „Kommune Antonio Gramsci zum EU-Mittel-geförderten landwirtschaftlichen Musterbetrieb ernannt!“ Und, tatsächlich, die bekannten Fressen, etwas derangiert in die Kamera grinsend, vorne weg dieser Konrad, aber Schnüffel, der Schmierendetektiv, fehlte wenigstens. Nein, nicht mehr zum Aushalten. Kriesling-Schönefärb schob den Stapel Zeitungen angewidert von sich, alles Lüge, alles Betrug, alles Vertuschungsmanöver.
    Endlich 13 Uhr, endlich konnte man aus dem Büro schleichen, endlich die frische kalte Luft atmen. Würde schneien. Oder schneeregnen, irgendwas halt. Er fuhr zu seiner Wohnung, rasierte sich, duschte sich, legte sich ein Stündchen aufs Ohr, hoffte, das Telefon würde sein Maul halten, das Telefon tat ihm den Gefallen, nur der Wecker rappelte, 15 Uhr 30, er musste zur Illner.
    Welche anderen Gäste würden kommen? Hatte man ihm nicht gesagt. Er schaltete den Fernseher ein, wählte den Teletext, schaute in die aktuelle Programmvorschau. Hamm-Brücher, Geißler – Marxer. Auch das noch. Aber vielleicht gar nicht so schlecht. Man würde reden können. Man würde neue Pläne machen, neue Hoffnungen schöpfen, neue Kraft generieren. Oder endgültig abkacken.
     
     
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    Es wäre unfair mir vorzuwerfen, regelmäßige Arbeit schrecke mich ab. Man sollte das schon differenzierter sehen. Arbeit versetzt mich regelmäßig in Schrecken, aber, bitte schön, wen nicht. Nach dem Horror des Doppelauftritts der Damen Hermine und Annamarie jedoch flüchtete ich ausnahmsweise nicht vor, sondern in die Arbeit, ließ Glückstheorien der „Menschen in unserem Land“ (H. Kohl) über mich ergehen und malträtierte meinerseits die Menschen in unserem Land mit meinen Vorstellungen von Glück, allerdings nicht, um sie unbedingt glücklich damit zu machen.
    Hermine und meine Sekretärin verbrachten ein paar nette Stunden schwatzend in der Kaffeeküche, bevor sie als beste Freundinnen schieden. Selbstverständlich nahm Annamarie Hermines Angebot, sie an ihrem Arbeitsplatz in der „Bauernschenke“ zu besuchen, dankend und mit Freuden an. Unsere kleine Familie wuchs, wir waren zudem gerade voll auf dem Karrieretrip.
    Punkt 16 Uhr schaltete ich den Rechner aus, Annamarie hatte das erste Schock Ordner angelegt und damit begonnen, die abgearbeitete Post mitsamt Antworten abzuheften. „Sie machen schon Feierabend?“ Sie fragte das mit hochgezogenen Augenbrauen und sofort übermannten mich Schuldgefühle, wie sie die ausgemergelte Klasse des subalternen Proletariats tückischer Weise zu produzieren versteht. Dann aber erinnerte ich mich, hey, ich war hier der Chef und konnte machen was ich wollte, ausbeuten wen und wie ich wollte, der rotgrünen Regierung von anno dunnemals sei Dank. „Jo“, sagte ich kurz und wünschte einen schönen zukünftigen Feierabend. Frau Kainfeld schlug ein Bein über das andere, das war die subtile Rache der Untergebenen, die ihre Physis in einem Schaufenster präsentierten, wir Chefs davor, wohlwissend, dass wir dieses Geschäft nicht würden betreten dürfen. „Hm, meinetwegen. Wir sehen uns ja heute Abend wieder.“ Ich nickte und schlich, immer noch schlechten Gewissens, von dannen.
    Warum es mich zum Hauptbahnhof zog, der nicht auf meinem Heimweg lag, wusste ich nicht und werde es wohl auch nie wissen. Wollte ich mir meine

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