Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Klar doch. Die Alte. Und natürlich auch Geißler, die beiden tourten als Duo Infernale durch sämtliche Talkshows, in denen es um Bundespräsidenten ging. Marxer kochte. Diese Gesellschaft schob die dringenden Zukunftsfragen von sich weg, in die Zukunft halt. „Was wird aus dem Krimi?“, das war mindestens so bedeutend wie „Was wird aus dem Klima?“ oder „Was wird aus dem Kreisverkehr?“ Die drei großen K-Fragen der Menschheit, wieder mal vergeigt. Na bravo, Deutschland!
Okay, sie hatten jetzt also einen alten Ex-Pastor aus der Ex-DDR auf einem ex-ernstzunehmenden Posten. 72! Wer in diesem Alter noch nicht von Alzheimer heimgesucht war und Bücher drüber schreiben konnte, bekam einen Zeitvertrag als Gewissen der Nation und hernach Ehrensold bis zur Urne. 72! Ha, ha! Der rockte jetzt also die Republik!
Die Produktionsfirma. Marxer schlurfte ins Büro, eine blasse Tante mit Unterlippenpiercing. Er nannte seinen Namen, die Tante betrachtete ihn mitleidig. Na sag schon, du Schlampe, sag, dass die Sendung gecancelt wurde und ich mir auf Kosten von Frau Illner einen schönen Tag in Berlin machen soll, bevor es wieder heimwärts geht. „Marxer? Hm, und Sie sind Krimiautor?“ Mein Gott, sie tat so, als kenne sie ihn nicht! Dabei war es statistisch wahrscheinlich, dass auch in ihrem Bücherregal mindestens ein Marxertitel stand, zum Beispiel sein Bestseller „Schlappschwanz returns“ über den Zusammenhang zwischen Impotenz und organisiertem Verbrechen.
„Ah ja“, sagte Mrs Pierce, „Und Sie sind flexibel? Sie scheuen sich auch nicht, mit älteren Menschen über Themen zu diskutieren, bei denen hundert Mal der Name Theodor Heuss oder der Begriff Ordo-Kapitalismus fällt?“ Ordo-was? „Nein“, sagte Marxer ein wenig irritiert, „solange Dirk Niebel nicht dabei ist, schreckt mich nichts.“
„Dirk Niebel kann heute leider nicht“, bedauerte die Dame, „der ist in Togo und bringt den Negern den Neoliberalismus.“ Marxer atmete erleichtert aus. „Um was geht es denn?“ fragte er vorsichtig. „Lassen Sie mich raten – Bundespräsident? Gauck?“ Die Dame nickte. „Wir fragen nach den Chancen einer intellektuellen Auseinandersetzung, des Dialogs zwischen dem ersten Mann im Staate und dem gemeinen Volk. Sie als Krimiautor kennen sich ja aus, Sie sind ja quasi Volksschriftsteller.“
Dumme Kuh, dachte Marxer und sagte: „So kann man das ausdrücken. Wer kommt noch außer Hamm-Brücher und Geißler?“ Die Dame blätterte in ihrem Kalender. „Hm, der ehemalige Pressesprecher von Wulff, also der, der gar nichts gesprochen hat, nicht der andere, der zuviel gesprochen hat, und dann noch Charlotte Roche als Vertreterin des deutschen Intellektualismus.“
Nicht schlecht, dachte Marxer. Also Kriesling-Schönefärb, mit dem wollte er sowieso ein Wörtchen reden, und die Roche, bei der lief vielleicht was. „Okay“, sagte er, „ich bin bereit.“ „Schön so“, lobte die Dame. „Frau Illner kommt gegen zwei Uhr zur Vorbesprechung. Bis dahin können Sie sich ja noch ein bisschen in der Stadt umschauen.“
Wieder draußen. Puh! Marxer atmete befreit auf. Das Krimithema war ihm eh sehr suspekt vorgekommen, interessierte doch keine Sau. Die Leute lasen halt Krimis und schalteten dabei den Verstand ab, war doch nie anders gewesen. Jetzt erst mal was Anständiges essen und dann auf die Sendung vorbereiten.
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Keinen Zickenkrieg, bitte! Den hatten sich doch jüngst die Bundeskanzlerin und ihr FDP-Darling geliefert, bis zum Anschreien, wie es aus wohlunterrichteten Kreisen hieß. Hermine und Annamarie Kainfeld schrien gerade nicht, aber das war nur das atemtechnische Aufrüsten vor dem nächsten Verbalmassaker. Beide rotgesichtig, augenrollig, ich hob beschwichtigend die Hände, sagte mit meiner pastoralsten Bundespräsident-Gauck-Stimme: „Immer mit der Ruhe, meine Damen!“
Wie nicht anders zu erwarten, war es in diesem Moment mit der Ruhe vorbei. Ein Lamentohagel in Dolby Stereo, beide Kanäle kickten sich die Injurien in die Angesichter. „Diese – DAME da...“, begann Annamarie Kainfeld, „nenn mich nicht Dame, du Schlampe!“ rotzte Hermine zurück. „Ich bin der Lebensgefährte deines Dienstherrn...“, „pfff“ unterbrach meine Sekretärin, „jeder Puff ist dann voller 'Lebensgefährtinnen'.“ „Unter der Schädeldecke kein Hirn, unter dem Rock kein Höschen, was ist das? Ne Tippse!“
„Na, na!“ warf ich ein, was insofern den Konflikt entschärfte, als sofort beide
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