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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gravierenden Fehler gemacht, ihm die Möglichkeit einzuräumen, im Fernsehen aufzutreten. Er würde das eiskalt ausnutzen, er würde die Wahrheit sagen, er würde die Menschheit aufrütteln. Oder wenigstens den Teil der Menschheit, die sich noch Talkshows im Fernsehen antat. Für einen Moment glaubte Marxer sogar, was er da erzählte. Der Moment war schnell vorbei.

Folgen 451 - 500
     
     
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    Ich hatte mich ein wenig verbummelt. Ein Zug durch Straßen und Kaufhäuser, ein passiver Flaneur mit starren Augen, dem jedes Gesicht, in das er sehen musste, sofort durchsichtig wurde. Ich betrachtete Gebrauchsgegenstände in Auslagen, sämtlich Dinge, die mich keinen Deut interessierten, ich sah fremden Menschen beim Verzehren mittelmäßiger Mahlzeiten in zu grell beleuchteten Cafeteria zu, selbst an schlechtem Kaffee nippend. Ein herrlich sinnfreies Umherschweifen. Dunkle Gassen mied ich. Auf eine zweite Begegnung mit Georg Weber – oder wem auch immer – und seinem  blitzenden Messer konnte ich in meiner Sinnfreiheit gut verzichten.
    „Da bist du ja endlich.“ Ja, da war ich endlich. Hungrig jetzt, bereit, Mohamad Ndayes senegalesisches Nationalgericht einzugabeln, diese wohlschmeckende Pampe mit Augenkrebsgarantie. „Wie nennt ihr das eigentlich?“ fragte ich Hermine. Die nahm die Karte vom Tisch und suchte mit dem Zeigefinger. „Da. Nboie-Nboie. Oder einfach Pampe.“ Ich bestellte Pampe.
    Nach und nach trudelten sie ein. Irmi, die noch nicht darüber hinweggekommen war, dass „ihr Konrad“ jetzt wieder fett und feist und verschlagen in seiner Geldloskommune residierte und überlegte, wie man jede Menge EU-Kohle verprassen konnte. Borsig und Gefolge, die sich weiterhin ihre Schnurren um den düpierten Karnevalsprinzen Karl-Heinz erzählten. Unsere drei Junioren Jonas, Laura und Katharina, die verschwitzt waren wie aus der Spielhölle gezogen, nur dreiunddreißig Euro verzockt hatten, was sie als riesigen Erfolg und Vorahnung besserer Zeiten betrachteten. Oxana im hammergeilen roten Lederoutfit, eine Hose, für die man einen Schuhlöffel brauchte. In ihrem Schlepptau, man glaubte es kaum, Sonja Weber. Sehr blass, ein wenig sediert, die Augen unruhig und schließlich wie festgeschraubt, als man ein Glas Mineralwasser vor sie hinstellte, in dass sie hineinstarrte, als sei es Kaffeesatz, aus dem sich lesen ließe.
    Und, als Krönung, meine Sekretärin Annamarie Kainfeld. Großes Hallo seitens von Hermine, herzliche Willkommensumarmung von Oxana. Keine halbe Minute später erschien auch Vika, auffällig in Mausgrau. Die Stimmung hob sich merklich, von Sonja Weber und mir einmal abgesehen.
    Ich blickte mich um. Ein paar Rentner am Stammtisch, ein paar Versprengte des Krimiseminars der Volkshochschule, ein einsamer Typ in der Ecke, vor Pampe und Bier. Noch nie gesehen, den Kerl. Mal im Auge behalten.
    „Puh“, sagte Annamarie, „das ist ja hier eine lockere Runde. Warum trefft ihr euch hier eigentlich immer? Habt ihr gemeinsame Hobbies, Briefmarken oder so?“ Wir lachten herzlich. Hermine winkte Annamarie zu sich, nahm sie mit in die Küche, ein intimes Kurzgespräch unter Frauen. Nach fünf Minuten kamen sie zurück, Annamarie mit rotem Kopf, diesen schüttelnd. Sie setzte sich neben mich. „Also nee, Chef! Und das ist alles WAHR? Eine riesengroße Intrige mit Mord und Totschlag und allem drum und dran? Oder ist das hier nur ein Rollenspiel für den gelangweilten Mittelstand?“
    Nein, erklärte ich, der gelangweilte Mittelstand spiele andere Spiele. Integration mit Sarrazin, Eurokrise mit Hans-Olaf Henkel, Araberverstehen mit Peter Scholl-Latour. Annamarie nickte. „Ja, stimmt auch wieder. Aber ich muss schon sagen: Respekt. So kann man auch auf der Karriereleiter nach oben kommen.“ Ich empfahl ihr senegalesische Nationalpampe, sie orderte misstrauisch, tauchte die Gabel noch misstrauischer hinein, führte sie höchst misstrauisch zum Mund und sagte: „Hm, lecker. Ich würd ja noch ne Tomate mitkochen, weil das Auge isst mit.“ Sofort wurde der Vorschlag in die Küche weitergereicht.
    Marxers großer Auftritt rückte immer näher. Die Wirtszwillinge schalteten endlich den Fernseher ein, wir rückten gespannt unsere Stühle zurecht. Vorher mussten wir noch die Nachrichten über uns ergehen lassen. Aber was tut man nicht alles aus vorausschauender Schadenfreude.
     
     
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    Eins, zwei, drei... seine Blase spielte verrückt, sie spielte immer verrückt, wenn er Bier trank. Wieder also stand er an der

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