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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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handsigniertes Vorzugsexemplar!“ Und auf einem anderen Plakat hieß es grell: „Moritz Groß – idiotisch, idealistisch, impotent! Ein Held wie du und ich.“ Ich betrat schwankend die Buchhandlung, meine Mordgelüste hatten ungeahnte Ausmaße angenommen.
    Sonja Weber war gerade damit beschäftigt, ein Buch in Geschenkpapier einzupacken. Schön machte sie das, aber dafür haben Frauen von Natur aus ein Talent. Etwas schön einpacken, am liebsten sich selbst, während Männer am liebsten auspackten, indem sie die Verpackung achtlos aufrissen. Ich schlenderte an den Bestsellerbuchtürmen vorbei, ohne sie eines näheren Blicks zu würdigen. Marxers Porträt hing unübersehbar an der Wand, wenngleich ich auch zwei Blicke brauchte, um ihn zu erkennen, denn er war als Frau verkleidet. „Emily Pluster – das Buch zum Film“. Oh mein Gott, der Idiotendetektiv jetzt auch im Kino? Nein, nur im Fernsehen, eine geplante ZDF-Serie. Nachdem Rosamunde Pilcher angekündigt hatte, keine Romane mehr zu schreiben, hatte Marxer wohl diesen Job übernommen. Ich wollte mir nicht ausmalen, wer mich spielen würde, tippte aber auf Uwe Ochsenknecht.
    Mit meinem Exemplar des „Idiotendetektivs“ ging ich zur Kasse, wo Sonja Weber die Verpackung des Buches beendet hatte. Als sie mich sah, wich sofort sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht. „Sie? – Äh, du…?“ Ich bestätigte es mit einem „Genau“ und legte das Buch auf den Tresen. Hinter mir bildete sich eine Schlange, es wurde getuschelt, mir brach der kalte Angstschweiß aus. „Macht Zwölfneunundneunzig“, murmelte Sonja Weber mechanisch und fügte an: „Wie geht es dir?“ Es gehe mir noch gut, antwortete ich, aber hoffentlich nicht mehr lange, ich hatte mir nämlich vorgenommen, das Buch zu lesen, bevor ich seinen Schöpfer ins Elysium zu kicken gedachte.
    „Und wie geht’s dir?“ fragte ich anstandshalber. Sonja Weber lächelte. „Prima. Wir ziehen bald zusammen.“ Wir? Die zweite Person konnte nur Kriesling-Schönefärb sein. Ich nickte. „Schön für euch.“
    Die Schlange hinter mir wurde länger und länger, das Tuscheln nahm zu. „Das ist er! Schau mal, der kauft sein eigenes Buch! – Nein, das ist sein Doppelgänger, der Idiotendetektiv kann doch gar nicht lesen!“ Nicht nur impotent, sondern auch Analphabet. Meine Vorstellung von Marxers Tod wurde immer unappetitlicher. Ich würde ihn leiden lassen.
     
     
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    „Literatur? Da wird mir übel.“ Wer hat das noch mal gesungen? Ach ja, die junge Nina Hagen wars, bevor sich ihr der Schwurbel im Köpfchen eingenistet hatte. Schon richtig. Bei Marxers Ergüssen war Übelkeit eine automatische Nebenwirkung, vor der kein Spruch auf dem Cover warnte und riet, sofort den Arzt oder Apotheker aufzusuchen. Was man auch nicht tun musste, wenn man ein Brechmittel brauchte. „Der Idiotendetektiv“ erfüllte diese Funktion beängstigend perfekt.
    Nun gehöre ich nicht zu jener Gattung Leser, die immer alles „realitätsgetreu“ verlangen. Ich verlange schließlich die Realität auch nicht romangetreu. Es störte mich auch nicht, als eher tumbes Exemplar der Gattung Held durch die Zeilen zu huschen, ja, selbst mit der mir angedichteten Impotenz hätte ich prima leben können. Aber wäre es Marxer nicht möglich gewesen, seine Emily Pluster als eine der deutschen Sprache mächtigen Autorin zu erschaffen? Was wollte er mit Sätzen wie „Sie sah aus wie ein Bordell, wenn ein Bordell ausgesehen hätte wie sie.“ eigentlich ausdrücken? Warum war mein Blick gezählte 385 Mal „stechend“, warum stand ich 139 Mal nackt vor dem Spiegel und besah meinen traurigen Schniedel? Warum dichtete mir Marxer ein Angela-Merkel-Poster an der Wand an? Hatte es ursächlich etwas mit meiner Impotenz zu tun? Nein, es war reine Kolportage, übelstes Sprachzeug – und wahrscheinlich genau deshalb so erfolgreich. Die Leser liebten es nun einmal, sich auf ihrem eigenen Niveau prächtig zu unterhalten.
    Da ich mich keineswegs prächtig unterhielt, las ich Marxers Plustereien nur oberflächlich, überschlug den Hauptteil des Trauerspiels und studierte den Schluss. Marxer schilderte dort, wie er mich – zum gefühlten hundertsten Mal – vor dem Tod rettet, indem er den Killer persönlich in die Flucht schlägt. Aus schierer Blödheit stolpere ich über die Hauskatze und schlage mit dem Kopf gegen deren steinernen Fressnapf. „Wie alle seine Freunde bestätigten, unterschied sich ein komatöser Moritz Klein von einem nicht komatösen

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