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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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nur durch die Tatsache, dass er jetzt weniger Unsinn redete.“ Ich schlug das Buch zu und verfluchte die Tatsache, keine offenen Feuerstellen in meiner Wohnung zu haben, denen ich das Machwerk hätte überantworten können. Ein hungriger Mülleimer würde es aber auch tun.
    Inzwischen war es Abend geworden, die Luft hatte sich, im Gegensatz zu mir, abgekühlt. Ich machte mich auf den Weg zu Marxers Villa, das Küchenmesser hatte ich doch nicht eingesteckt. Mit meinen eigenen Händen wollte ich ihn erwürgen, wahlweise mit seinen eigenen schweren Möbeln erschlagen, einem Biedermeierstuhl etwa, der in seinem Speisezimmer stand und den man einer nützlicheren Verwendung würde zuführen können. So tappte ich durch die Stadt, kaufte mir eine Bratwurst und stellte mir vor, sie sei Marxer, was diesem schmeichelte, der Bratwurst gegenüber aber furchtbar ungerecht war.
    Endlich. Marxers Villa. Sie lag friedlich in der beginnenden Dämmerung, im Untergeschoss brannte schon Licht, wahrscheinlich saß der Dichter als Emily Pluster schon an der angekündigten Fortsetzung seiner Idiotenserie. Ich blieb stehen und atmete ruhig ein und aus. Nicht in Rage, sondern kaltblütig wollte ich Marxer erledigen. Hinter mir gab es ein Geräusch, ich registrierte es zu spät. Erst dann nämlich, als etwas in meinen Rücken gedrückt wurde und eine Stimme „Aha, der Idiotendetektiv“ sagte.
     
     
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    „Ist das Ihr Autoschlüssel oder freuen Sie sich nur, mich zu sehen?“ Der Gegenstand löste sich von meinem Rücken und es klimperte. „Autoschlüssel natürlich, was haben Sie denn gedacht?“ Gritli Moser kicherte. „Dazu fehlen mir die anatomischen Voraussetzungen.“ Über andere verfügte sie in reichem Maße, was festzustellen ich mich nur umzudrehen brauchte. Die Kommissarin trug Freizeitkleidung, eine Shorts und ein Shirt und Sandalen, viel mehr wohl nicht.
    „Zufall oder verfolgen Sie mich?“ Sie spielte die Verlegene. „Nennen wir es eine Mischung. Ich war zufällig hier in der Gegend und hab Sie ebenso zufällig gesehen und bin Ihnen mit Absicht gefolgt. Ich nehme an, Sie haben jetzt das Buch gelesen? Tun Sie es bitte nicht. Ist es doch gar nicht wert.“
    Natürlich war es das nicht wert. Wegen Marxer für den Rest meines Lebens in den Knast zu wandern, entsprach überhaupt nicht der Bedeutung dieses Herrn. Wahrscheinlich hätte ich ihn auch gar nicht umgebracht, sondern nur mit einer schweren Körperverletzung daran erinnert, dass Dichter und Denker in diesem Land schon immer gefährlich gelebt haben.
    „Ist doch eh alles nur Phantasie in dem Buch“, sagte Gritli und fügte nach kurzer Pause hinzu: „Oder?“ „Natürlich“, bestätigte ich. „Welcher Politiker käme auch schon auf den Gedanken, das Geld abschaffen zu wollen. Er lebt schließlich davon.“ Das sei wohl so, antwortete die Kommissarin. „Andererseits – viele Details in Marxers Buch entsprechen ja durchaus der Wahrheit. Die plötzliche Verknappung des Münzgelds etwa – oder die diversen ungeklärten Mordfälle. Ich hab mich aktenkundig gemacht.“ „Jeder Schwachsinn hat seinen wahren Kern“, erklärte ich wenig überzeugend. „Und der Killer in der Kneipe? Das war sehr real.“ „Ein Verrückter“, sagte ich, noch weniger überzeugend. „Der dann von einem anderen Verrückten umgebracht wird. Dann diese sogenannten Doppelgänger, die aussehen und reden wie die Originale. Die plötzlich verschwinden, weil eine höhere Macht die Hand über sie hält. Sehr merkwürdig."
    Wir waren ein paar Schritte gegangen und entfernten uns von Marxers Villa. Mein Zorn war verraucht, das überraschte mich selbst.  Vielleicht sollte ich dem Schmierfinken sogar dankbar sein. Er hatte mich unsterblich gemacht, unsterblich in einem Groschenkrimi, aber immerhin. Wer konnte das schon von sich behaupten? Die meisten Unsterblichen sind nichts weiter als Namen und Daten, nüchterne Geschichte. Ich hingegen war ein Produkt verquerer Phantasie, ich war nicht ich und war es doch. Aber diese philosophischen Gedanken gab ich sofort auf. Wir hatten inzwischen die Villa aus dem Blick verloren, näherten uns der Innenstadt. „Gehen wir noch was zusammen trinken?“ schlug Gritli Moser vor, „ganz privat, wir reden auch nicht über DIE SACHE.“
    Die Sache, hm. Ich war ihrer so überdrüssig. Am liebsten hätte ich mir ein Flugticket ans andere Ende der Welt gekauft, wäre dorthin verschwunden, für ein Jahr, für zwei, für immer. Niemanden mehr sehen, mit niemandem

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