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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gesehen haben. Ich werde ein paar Praktikanten losschicken, um Zeugen aufzutreiben.“ Sie hatte Recht. Man tauchte nicht so einfach auf und verschwand so einfach wieder. Ich verabschiedete mich von der Kommissarin und surfte durch die Weiten des Internet. Twitter. Zum ersten Mal in meinem Leben.
    Wenn mich Schick auch hinsichtlich seiner Identität belogen hatte, in einem waren seine Informationen korrekt gewesen: Twitter war furchtbar. Früher jammerte man im stillen Kämmerlein über die Welt, heute twitterte man. Natürlich wurde nicht nur gejammert. Genauso reichhaltig vertreten waren Selbstbeweihräucherungen, Eigenwerbungen, sexuelle Anmache oder einfach nur der Hang zur Banalität. Menschen standen morgens auf, stolperten über ihre Hausschuhe und taten es sogleich der Welt als eine unerhörte Nachricht kund. Man wunderte sich, warum solche Katastrophen nicht regelmäßig in der „Tagesschau“ vermeldet wurden. Stattdessen solche Petitessen wie „Deutsche Schwimmer gehen bei Olympia baden“ oder „1000 Tote in Aleppo und die Welt schaut gähnend zu“. Kein Gespür für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens.
    Eine geschlagene Stunde klickte ich mich durch das persönliche Weltelend, all die Depressionen und sonstigen seelischen Schmerzen, von Eduard Schick indes keine Spur. Was mich nicht wirklich wunderte. Wahrscheinlich hielt ich mich nur deshalb bei Twitter auf, weil ich sonst nichts zu tun hatte. Und genau deshalb hielten sich wohl die meisten dort auf. Sie wussten einfach nicht, wie sich sonst die Zeit am besten totschlagen ließ.
     
     
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    Olya gähnte. Sie hatte, nachdem die Handwerker den Schaden auf den Küchenfliesen repariert hatten, diese sorgfältig putzen müssen, obwohl sie doch keine Putzfrau war. Sie sollte eine Gruppe gründen, überlegte sie, einen Namen hatte sie bereits: Putzy Riot. Dafür kam man in Deutschland nicht in den Knast, oder? Sie würde sich schlau machen, denn so ganz traute sie der Demokratie nicht, wenn sie diejenige war, die man auch in der Ukraine hatte.
    Wenigstens hatte Deutschland auch nach dem zweiten Olympiatag noch keine Medaille gewonnen. Oh doch, sie liebte Deutschland! Aber die wollten überall die Besten sein, in der Wirtschaft, beim Sparen, beim Fußball, beim Sex. Letzteres hätte Olya gerne getestet, doch ihr Arbeitgeber weigerte sich. Ein Maulheld, ein Sublimeur, wie man sagte, einer, der seine Phantasien auf Papier auslebte. Pech gehabt. Wahrscheinlich hielt er es für politisch nicht korrekt, mit einer ukrainischen Hausangestellten ein Verhältnis anzufangen. So war er, der degenerierte Westen. Aber egal. Sie saß jetzt am Küchentisch und gähnte, wie gesagt. Immerhin: Langweilig war es in diesem Haushalt nicht. Ein Attentat, der Chef ständig im Fernsehen, die Presse lungerte vor dem Haus, auch sie, Olya, war schon des Öfteren fotografiert und gefilmt worden, als „die geheimnisvolle glutäugige Schöne“ vorgestellt. Sie erhielt sogar schon Fanpost und Heiratsanträge.
    Marxer kam in die Küche, erkennbar schlecht gelaunt. Wahrscheinlich hatte er wieder bei Facebook feststellen müssen, dass die Fanpage „Idiotendetektiv“ mehr „Gefällt mir"-Klicks bekommen hatte als die Fanpage „Konstantin Marxer, Autor des Idiotendetektivs“. Das war ungerecht, dieser Moritz Groß war SEIN Geschöpf, er überlegte sich ernsthaft, ihn im Folgeroman über die Klinge springen zu lassen und durch einen neuen Protagonisten zu ersetzen. Eine Frau, das wäre nicht schlecht.
    „Machst du mir bitte nen Kaffee, Oxana?“ Oxana! Olya wurde zornig, hatte Mühe, sich zu beherrschen! Sie war nicht diese Kasachin, diese Lesbe! Dieses sodomitische Steppenweib! Sie war eine RICHTIGE Frau, sie würde es diesem Spinner eines Tages beweisen. „Natürlich, gerne“, antwortete sie zuckersüß und lächelte. Marxer sah es nicht einmal. Er hockte sich an den Küchentisch und grübelte. Vielleicht hatte er Angst?
    Die Polizei hatte sich geweigert, Marxer Personenschutz zu gewähren. Ein Streifenwagen sollte mehrmals am Tag demonstrativ an der Villa vorbeifahren, ansonsten hielt man das Attentat für den Streich dummer Jungen. Unglaublich! Man hatte sogar angedeutet, die Tat sei doch im Sinne Marxers und seiner Ambitionen… Sofort war Marxer erzürnt aufgesprungen und hatte mit seinen Anwälten gedroht. Half alles nichts. Auch die Medien spekulierten längst, Marxer habe den Anschlag selbst inszeniert. Obwohl… das war nicht schlecht. Kriminalschriftstellern traute

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