Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
man alles zu.
Immerhin, Kaffee kochen konnte diese Olya. Er schenkte ihr generös ein Lächeln, nicht zu viel, damit sie sich keine falschen Hoffnungen machte. Er verspürte eine beunruhigende sexuelle Unlust, schob es auf sein fortgeschrittenes Alter, korrigierte sich dann aber schnell. Nein, das lag nicht am Alter. Er war halt Schriftsteller, gute Autoren brauchten keinen Sex, die hatten Papier und Stift, auch wenn Papier und Stift längst die Form eines Computers angenommen hatten. Diese Überlegung musste er in seinen neuen Roman einbauen. Einen Roman ohne Sex, das hatte was, das war total sexy.
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Im Laufe des Vormittags verschlechterte sich meine Laune rapide. Der Zusammenstoß mit Hermine, meine Erfolglosigkeit bei der Suche nach Eduard Schick, die noch immer von Liebesleid zerrupfte Annamarie Kainfeld, der schließlich ein Fingernagel abbrach, was das Leid zur Katastrophe steigerte – ganz zu schweigen von der Post dieser elenden Glückssucher, die jetzt schon dazu übergingen, mich per Email für das schlechte Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft verantwortlich zu machen. Ich sollte den Job wechseln, keine Frage. Ein Blick auf mein Girokonto verdrängte diesen Gedanken allerdings erfolgreich.
Man spielte mit mir. Ich war kein Akteur mehr, nur noch ein Objekt, abwartend, ängstlich, planlos. Das musste sich ändern. Es war an mir, ein neues Spiel zu beginnen, die Dinge anzustoßen. In mir reifte ein Plan.
Die Medienmeute vor dem Haus hatte sich in Ermangelung potentieller Sensationen merklich ausgedünnt und bestand nur noch aus einem etwa dreißigjährigen langhaarigen Mann, der auf der Mauer saß und pausenlos „Test, Test, Test“ in sein Mikrophon krächzte. Neben ihm stand sein Laptop und nudelte die neuesten Youtube-Hits. Ich trat auf die Straße und ging auf ihn zu. Er sah mich erst, als ich unmittelbar vor ihm stand und „Guten Tag, für welches Medium arbeiten Sie?“ sagte. Ihm fiel fast das Mikrophon aus der Hand.
„Äh… sind Sie das wirklich? Ich meine… Moritz Groß…äh…Klein… der Idio… der Bundesdingsbums?“ Ich bestätigte, der Bundesdingsbums zu sein. „Na aber hallo“, sagte der Pressemann, „mein Name ist Peter-Urban Psamilke, kurz PUPS¸und ich bin quasi mein eigener Chef, also ich hab den PUPS-Blog, ich mach so Nachrichten und alles. Darf ich Sie interviewen?“
Ich zierte mich ein wenig, schon um ihn nicht misstrauisch zu machen. Er kramte seinen Geldbeutel aus einem Jutesack und linste verstohlen hinein, bevor er seufzend sagte: „Hm, ich könnte Sie auch zu einem Kaffee einladen. Aber nur bei Tchibo.“ Ich erklärte mich einverstanden und wir machten uns auf den Weg.
Auf diesem erzählte mir PUPS mit wachsendem Enthusiasmus von seinem Blog, überhaupt vom Journalistendasein. „Also wissen Sie, eigentlich habe ich mal Sozialpädagogik studiert, aber mal ehrlich: Is langweilig, ne? Ich meine, wo doch überall die Scheiße am Dampfen is und die Presse gleichgeschaltet und überall Korruption. Der PUPS-Blog versteht sich als unabhängiges und kritisches Medium für die Nachrichten hinter den Nachrichten, ein Forum für die Sprachlosen und Unterdrückten, eine…“ „Ja, ja, schon verstanden“, unterbrach ich ihn leicht genervt, „von dieser Sorte gibt es einige Tausend. Alles notwendig, alles ok. Und wovon leben Sie?“
Diese Frage war ihm sichtlich peinlich. Er schwieg und lenkte das Gespräch auf die Schwüle, die unsere Hemden genässt hatte. „Soll ja noch ne Zeitlang so bleiben, ne? Also ich habs ja lieber kühler.“ Ich hatte verstanden. Diese Nachricht wollte mir der wackere Nachrichtenmann nicht zukommen lassen.
Im Tchibo fanden wir wider Erwarten zwei Plätze an einem kleinen Stehtisch, der gerade für zwei Tassen Kaffee groß genug war, nicht aber für PUPSens Laptop und seinen Rekorder. „Macht nix, wir machen erst mal informelles Hintergrundgespräch, okay?“ Ich willigte ein. Natürlich wäre mir der SPIEGEL für meine Zwecke lieber gewesen, aber jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.
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Die investigativen Ambitionen des journalistischen Bloggers PUPS konzentrierten sich, wie ich sehr rasch merkte, auf „diese scharfen Frauen, Sie wissen schon. Diese Kasachin und überhaupt.“ Er entschuldigte dies mit einem knappen „Das wollen die User halt lesen, ne? Sex und Intrigen, ja, ich würd auch lieber seriöser berichten, aber geht halt nicht. Ich jubele Ihnen die schreckliche Wahrheit aber trotzdem
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