Die Ehre der Am'churi (German Edition)
Krummsäbel erhoben, die Anspannung war ihnen von den Gesichtern abzulesen.
„Kannst du fliehen?“, wisperte Jivvin, ohne die Lippen zu bewegen, so leise, dass er sich selbst kaum hörte. Doch es hatte gereicht: Ni’yo warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, ohne den Kopf zu wenden, und nickte kaum merklich. Er sah aus der Nähe noch schlimmer aus: wachsbleich, das schmale Gesicht von Schweiß bedeckt. Sein Blick flackerte unruhig.
„Auf die Füße mit euch!“
Jivvin spürte kaum, dass man ihn grob hoch zerrte, er war zu sehr damit beschäftigt, Ni’yo zu beobachten. Der junge Krieger sah nicht so aus, als würde er einen Kampf und anschließende Flucht überstehen. Verfluchte Kalesh, warum konnten sie ihre stumpfen Messer nicht herunternehmen? Jivvin könnte sich freikämpfen, wenn er nur sein Chi’a hätte, oder es etwas weniger Bewaffnete wären … Wenn Ni’yo mithielt, könnten sie es gemeinsam versuchen.
Wenn …
„Lass dich fallen“, flüsterte Jivvin, als Ni’yo gegen ihn geschubst wurde. Gehorsam sank der Am’churi in die Knie, schrie auf, als ein Wächter ihm ins Gesicht schlug und dann zurück an Jivvins Seite zwang. Ni’yo konnte also auf Befehle reagieren. Viel mehr brauchte es nicht!
Zwei Kalesh packten sie, zerrten Ni’yos rechte und Jivvins linke Hand vor.
„Zuerst den Größeren, vorwärts!“ Eine enge Eisenschelle wurde um Jivvins Handgelenk gelegt und mit einem seltsamen Stift aus Metall gesichert. Es klickte mehrmals laut, als irgendein raffinierter Mechanismus einrastete. Das Gleiche geschah mit Ni’yos Hand. Beide Schellen waren mit einer äußerst dicken und sehr schweren Kette verbunden, vielleicht einen Viertelschritt lang. Sie waren nun aneinander geschmiedet, zwar bewegungsfähig, aber nur, wenn sie gemeinsam handelten.
„Diese Kette ist unzerbrechlich, und das Schloss der Handschellen kann nur noch ein Schmied aufbrechen, es sei denn, man hat den richtigen Schlüssel zur Hand“, erklärte der Elf. „Wir haben nicht vor, uns mit euch zu sehr abzumühen. Ihr beide dürft euch gegenseitig bekämpfen, bis ihr so schwach seid, dass ihr alles tut und alles sagt, nur, um endlich sterben zu dürfen.“
Viele Elfen ließen ihre Waffen sinken.
„Nicht, ihr Wahnsinnigen, erst müssen sie an Füßen und Hälsen gesichert sein!“, begann der Sippenälteste wütend.
Zu spät.
„KRY!“, brüllte Jivvin in der geheimen Sprache der Am’churi und stieß sich gleichzeitig mit Ni’yo vom Boden ab. Er war zutiefst erleichtert, dass sein Feind sich tatsächlich mit ihm bewegte. Sie katapultierten sich aus dem Stand in die Höhe, sprangen durch die Lücke, die von den unachtsamen Kalesh gelassen worden war.
„Jeturra!“, rief Ni’yo. Sie rollten über den Boden ab, auf die offene Tür zu. Er schlug den linken Wächter nieder, und Jivvin erledigte die beiden anderen, die noch gar nicht begriffen hatten, was auf sie zukam.
„’nock!“, befahl Jivvin. Gemeinsam rannten sie los, Seite an Seite, den rechten Gang hinab. Hinter ihnen brüllten aufgescheuchte Elfen wütende Befehle, die einander widersprachen. Die beiden Am’churi kümmerte das wenig.
„Kry!“ In einer einzigen fließenden Bewegung flogen sie durch die Luft, sprangen mit den Füßen voran gegen die Holztür, die vor ihnen auftauchte. Sie krachte aus den Angeln, was Ni’yo kurz aus dem Gleichgewicht brachte, doch Jivvin fing ihn ab, zog ihn weiter, bis sie wieder im Gleichtakt liefen.
Der dunkle Innenhof war so gut wie verlassen, nur zwei einsame Wächter lehnten an dem Haupttor. Es war verschlossen und mit mehreren schweren Balken gesichert. Die bloßen Füße der Am’churi erzeugten keinerlei Geräusch auf den Steinplatten, obwohl sie in voller Geschwindigkeit rannten. Die Elfen wussten nicht, was sie traf, sie fielen ohne Gelegenheit zum Kampf zu Boden. Hastig rissen Ni’yo und Jivvin die Waffengürtel der beiden Kalesh an sich. Zwar waren die Krummsäbel für sie nur lächerliche Metallstäbchen, kaum geeignet, um Kohle zu schüren, die beiden Messer und der Dolch, die noch mit zum Gurt gehörten, nur armselige Zahnstocher. Doch besser das als gar keine Waffen. Nur wenige Augenblicke, dann hatten sie sich beide die Gürtel umgelegt und nickten einander zu.
„Kry!“, schrien sie gleichzeitig, sprangen so hoch sie nur konnten, landeten anmutig auf dem zweiten Torbalken. Nur Jivvin wusste, wie Ni’yo sich sonst zu bewegen verstand, mit einer kraftvollen Eleganz, die selbst Raubkatzen noch
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