Die Ehre der Am'churi (German Edition)
zerschundenen Rücken laufen lassen, das wäre jetzt eine Wohltat … Er achtete nicht auf Ni’yo, der all diese Bewegungen mitmachen musste und dabei schmerzhaft herumgerissen wurde. Die Kälte prickelte in seinen frischen Wunden, doch wie erhofft war es angenehm.
„Bist du fertig mit deiner Schönheitspflege?“, zischte es plötzlich neben ihm. Jivvin fuhr zusammen, starrte in Ni’yos wütendes Gesicht. Wie hatte er seinen Feind nur vergessen können!
„Ja, natürlich.“ Hastig streifte er sich das Hemd wieder über und warf Ni’yo seine Waffen zu. „Komm, da vorne scheint eine Senke zu sein, vielleicht können wir da den Rest der Nacht verbringen.“ Steif marschierte er voraus, zerrte ungeduldig an der Fessel, als sein Gefährte nicht sofort folgte. „Nun komm! Oder schaffst du die paar Schritte nicht mehr?“
Sie stiegen in eine Bodenvertiefung, wo sie trockenen Sandgrund fanden, geschützt von dicht gewachsenen Bäumen, die ihre Blätter noch nicht abgeworfen hatten. Hier legten sie sich schweigend nebeneinander nieder, Rücken an Rücken.
An Schlaf war allerdings nicht zu denken. Jivvin erkannte plötzlich, dass er Ni’yo keine Gelegenheit gegeben hatte, selbst zu trinken. Das war unbeabsichtigt gewesen, aber sein Feind würde das nicht glauben. Sicher wartete der nur, in seinem Hass schmorend, dass er, Jivvin, endlich tief einschlief, damit er ihm die Hand abschlagen konnte … Sollte er versuchen, ihm zuvorzukommen? Eigentlich war das genau das Letzte, was er tun wollte. Ni’yo war zum einen verletzt, zum anderen ein Am’churi wie er selbst. Gewiss, lebenslanger Hass und Feindschaft standen zwischen ihnen, aber das wollte Jivvin in einem Duell klären, nicht mit einer hinterhältigen Attacke. Nicht zu vergessen, dass Ni’yo ihn vor einigen Wochen selbstlos gerettet hatte, egal aus welchem Grund! Wie Ni’yo die Sache sah, wusste er allerdings nicht. Mochte diese Ratte auch sonst immer gewissenhaft nach dem Ehrenkodex handeln, in dieser Situation sah es vielleicht vollkommen anders aus …
Jivvin verbrachte die restlichen Stunden der Nacht in quälendem Kampf gegen den Schlaf. Wann immer die Erschöpfung und die Schmerzen ihn zu überwältigen drohten, kniff er sich in die Augenlider. An den ruhelosen Bewegungen an seiner Seite spürte er deutlich, dass auch Ni’yo nicht schlief, und das bestärkte ihn nur in seiner Wachsamkeit.
Als es endlich dämmerte, richtete Ni’yo sich auf, froh, diese entsetzlichen Stunden hinter sich gebracht zu haben. Der Durst war unerträglich, genauso wie das glühende Pochen und Jucken in seinem zerschlagenen Rücken. Sein Kopf schwamm, er konnte keinen klaren Gedanken fassen, obwohl er wusste, dass sein Leben davon abhing. Wenn Jivvin merkte, wie schwach er wirklich war, würde er sicherlich angreifen!
Sein Feind bewegte sich viel schneller als er, was Ni’yo fast in Panik versetzte. Er mühte sich, aus der Senke herauszukommen, ohne zu fallen und schafft es gerade noch. Trotzdem blieb Jivvin vor ihm, so sehr sich Ni’yo auch anstrengte. Am liebsten hätte er aufgeheult vor Wut, als Jivvin am Teich niederkniete.
Du hast gestern Nacht schon getrunken, ich nicht!
Beinahe wäre er der Länge nach ins Wasser gefallen, überrascht von Jivvins plötzlichen Bewegungen. In jeder anderen Situation wäre es Ni’yo leicht gefallen, sich anzupassen, doch im Augenblick brauchte er all seine Kraft, um auch nur bei Bewusstsein zu bleiben. Er fand sich bis zur Hüfte in eisigem Wasser wieder, ohne sich zu erinnern, wie er hierher gekommen war. Sein Verstand setzte aus, er musste sich zusammennehmen! Hastig schöpfte Ni’yo Wasser, ließ das wunderbare klare Nass seine ausgedörrte Kehle hinab rinnen. Unruhige Bewegungen seines Gefährten brachten ihn fast aus dem Gleichgewicht.
„Was machst du?“, fauchte er gereizt. Jivvin zog sich schon wieder das Hemd aus – wurde das jetzt zur Gewohnheit?
„Ich will mir das Blut abwaschen. Die Elfen werden uns verfolgen. Es wäre Unsinn, es ihnen noch leichter als nötig zu machen, oder? Ein Wunder, dass wir letzte Nacht keinen Besuch von Raubtieren hatten, so, wie wir beide nach Blut riechen müssen.“
Ni’yo wartete ungeduldig, dass Jivvin fertig wurde. Es war wirklich kalt hier im Tümpel, er wollte raus, weg, so schnell wie möglich. Diesen Tag überleben, die kommende Nacht. Mit etwas Glück war er dann schon wieder soweit geheilt, dass er den Rest der Wanderung auch noch schaffte. Aber das stand erst einmal in den
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